1. KAPITEL
Verdammt, sie kam zu spät!
Das Taxi fuhr viel zu langsam. Im Schritttempo quälte es sich durch den Verkehr von San Francisco.
Aber sie musste doch unbedingt den Flieger bekommen!
Unruhig rutschte Vicky auf der Rückbank hin und her. Die kalifornische Nachmittagssonne brannte unbarmherzig vom Himmel herab und sorgte dafür, dass sie fast auf dem schwarzen Kunstleder anklebte. Zum Glück umspielte der zarte Kleiderstoff ihre Oberschenkel vollständig, sodass die vor dem direkten Kontakt mit dem schmuddeligen Bezug geschützt waren.
Das Kleid hatte sie sich extra für die Hochzeit ihrer besten Freundin Celia gekauft. Es war ein malvenfarbener Traum aus Seide und stand ihr hervorragend, denn es betonte ihre schlanke Figur und zeigte ihre Kurven, ohne allzu aufreizend zu wirken. Vicky hatte darin als Brautjungfer direkt neben Celia gestanden und ihrer Freundin dennoch nicht die Show gestohlen.
Das Kleid war perfekt – ganz anders als ihre jetzige Situation. Gerade musste das Taxi schon wieder halten, diesmal knapp vor der Abfahrt vom Highway. Himmel, das konnte doch nicht wahr sein! Ungeduldig trommelte Vicky mit den Fingern auf die Armlehne und sah angespannt zum Fenster hinaus. Der Flughafen war bereits in Sichtweite, aber der triste Anblick der grauen Zweckgebäude verbesserte ihre Laune auch nicht gerade. Reizvoll war allenfalls, dass der gesamte Komplex so nahe am Meer lag, dass einige der Start- und Landebahnen geradewegs ins Wasser zu führen schienen.
Das konnte tatsächlich abenteuerlich werden, vorausgesetzt, sie verpasste den Flieger nicht doch noch.
Dreißig bis vierzig Minuten, das hatte ihr der Fahrer versichert, als sie vor ihrem Hotel in das eilig herbeigerufene Taxi gesprungen war. Und jetzt waren sie schon fast sechzig Minuten unterwegs. Vicky ärgerte sich maßlos über sich selbst. Wäre sie pünktlich aufgebrochen, dann hätte sie es geschafft, das Kleid im Hotel noch in Ruhe zu wechseln. Aber sie hatte ja unbedingt bis zur letztmöglichen Sekunde bleiben müssen.
Und warum das alles, Victoria Williams?Weil du auf keinen Fall den Wurf des Brautstraußes verpassen wolltest!
Hätte sie nur ein kleines bisschen nachgedacht, wäre ihr klar gewesen, dass die Blumen den langen Flug nach Málaga sowieso nicht überstehen würden. Denn – wie hätte es anders sein können – natürlich hatte sie den Strauß gefangen. Würde sich damit nun ebenso bewahrheiten, dass sie als Nächste heiratete? Wen denn?
Johnny kam dafür sicher nicht infrage, auch wenn der Kollege furchtbar gern mal mit ihr ausgegangen wäre und sie in letzter Zeit immer so verliebt anschaute, dass Vicky seiner stummen Bitte kurz vor ihrer Abreise nach Kalifornien schließlich nachgegeben hatte. Ja, sie würde sich von ihm ausführen lassen, demnächst, aber keineswegs zu einem romantischen Dinner. Ein Pub in London mit krachlauter Musik, Bier und Ausschankschluss musste reichen. Damit Johnny nicht doch noch auf falsche Ideen kam. Er war ein netter Bursche, mehr aber auch nicht.
Endlich bog das Taxi in die Spur zu ihrem Terminal ein. Und schon bevor es richtig hielt, öffnete Vicky die Tür. Heiße Luft strömte in die Fahrgastkabine, wenigstens gab es dadurch einen leichten Windzug. Schnell stieg sie aus, ging an den Kofferraum, in dem ihr Trolley und der kleine Reiserucksack verstaut waren, und versuchte, die Klappe selbst zu öffnen.
Halt, der Brautstrauß! Der lag noch im Auto. Während der Taxifahrer ihr Gepäck aus dem Kofferraum hob, lief Vicky wieder zurück und angelte den Strauß roter und lachsfarbener Rosen von der Rückbank. Sie drückte dem Fahrer einen Geldschein in die Hand und rannte los.
Ihre Absätze klackerten hektisch auf dem glatten Material des Terminalbodens. Sie orientierte sich kurz und hastete dann weiter. Einfach mit dem Handy einzuchecken, dafür war leider keine Zeit mehr. Gott sei Dank wurde ganz hinten gerade ein Schalter ihrer Fluglinie frei. Glück gehabt!
Allerdings wohl doch nicht genug Glück, wie sich jetzt herausstellte. Die Bedienstete schaute auf ihr Ticket und zuckte dann bedauernd mit den Schultern. Ihrem anschließenden Redeschwall entnahm Vicky, dass das Flugzeug hoffnungslos überbucht war. Eine Methode, die Fluglinien vor allem bei langen Flügen über die Ozeane häufig einsetzten, um zu vermeiden, dass Plätze leer blieben. Eigentlich eine Frechheit, denn wer zuletzt kam, hatte auf diese Weise trotz eines gültigen Tickets das Nachsehen.
Das würde sie sich jedoch nicht bieten lassen! Ihr Kampfgeist erwachte. Sie knallte den Brautstrauß auf den Tresen und begann, leidenschaftlich mit der jungen Frau zu diskut