: Burkhard Liebsch, Bernhard H. F. Taureck
: Burkhard Liebsch, Bernhard Taureck
: Trostlose Vernunft? Vier Kommentare zu Jürgen Habermas' Konstellation von Philosophie und Geschichte, Glauben und Wissen
: Felix Meiner Verlag
: 9783787340163
: Blaue Reihe
: 1
: CHF 16.70
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: 20. und 21. Jahrhundert
: German
: 247
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Als Aufklärer will Habermas nicht zu jenen »leidigen Tröstern« gehören, über die schon Kant seinen Spott aus gegossen hat. Vielmehr bekennt er sich wie bereits Hegel zur »prinzipiellen Trostlosigkeit« philosophischen Denkens und gibt auch jede Aussicht auf finale Versöhnung eines Geistes preis, der aus der Asche jeglicher Vernichtung »verjüngt« hervorgehen können sollte, um so Kapital aus dem Tod zu schlagen. Darüber hinaus verzichtet Habermas auch auf Glücks­, Sinn­ oder Erlösungsversprechen, die sublunare Wesen ?letztlich? vielleicht allein interessieren. Er legt einen weiten Weg der Ernüchterung zurück, an dessen vorläufigem Ende wir heute stehen, wo Philosophie durch rigorose Aufklärung da rüber, was sie vermag - und was nicht -, ihre eigene Auflösung zu gewärtigen hat. Burkhard Liebsch und Bernhard H. F. Taureck gehen in vier historisch und sozial­philosophisch ausgerichteten, reichhaltigen Kommentaren den Stationen dieser Ernüchterung nach und verdeutlichen, welche Potenziale Habermas' eigentümliche Konfiguration von Glauben und Wissen, Philosophie und Geschichte opfert.

Burkhard Liebsch lehrt als apl. Professor praktische Philosophie an der Ruhr-Universität Bochum. Zuletzt hat er veröffentlicht: »Einander ausgesetzt. Der Andere und das Soziale« (zwei Bände, 2018) und (als Herausgeber) »Sensibilität der Gegenwart. Wahrnehmung, Ethik und politische Sensibilisierung im Kontext westlicher Gewaltgeschichte« (Sonderheft 17 der Zeitschrift für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft, 2018).

1.Geschichte der Philosophie als Philosophie der Geschichte?


Philosophen, die ihre Berufung in weitgehend dekontextualisierter Begriffsanalyse sehen, wird nachgesagt, sie glaubten, ihr analytisches Tun mache Erinnerung an die Genealogie der von ihnen bearbeiteten Begriffe weitgehend überflüssig, Philosophie komme insofern ohne Geschichte aus. (Woraus Kontrahenten unnachsichtig den Schluss ziehen, in diesem Fall komme die Geschichte ohne Weiteres auch ohne solche Begriffsarbeiter aus.) Die gegenteilige Position besagt, Philosophie gehe in ihrer eigenen Geschichte auf. Philosophie und Geschichte der Philosophie wären dann im Grunde dasselbe – zumal wenn es sich nur um Fußnoten zu Platon handelt, wie manche meinen (1/432, 772 f.3). Zumindest seit Platon ›dreht sich‹ Philosophie demnach um das, was dieser in der Form einer Wiederholung fingierter sokratischer Dialoge vorgedacht hat, bietet seitdem aber »nichts Neues unter der Sonne«. Dieses noch von Hegel in seinen Vorlesungen über die Vernunft (in) der Geschichte in Anlehnung an das BuchKohelet (1.10) wiederholte Diktum würden die Philosophen zumindest mit Blick auf die Geschichte ihrer Disziplin bis heute nur bestätigt finden.4 Was diese Geschichte inzwischen hervorgebracht hat, nimmt sich so gesehen aus, als sei es gleichsam vorgezeichnet gewesen in ihren Anfängen, die nachträglich als Ursprünge erscheinen.

Habermas schließt sich weder der einen noch der anderen Richtung an. Weder will er ahistorische Begriffsanalyse betreiben noch auch die Philosophie, die ihm vorschwebt, in deren Geschichte aufgehen lassen. Vielmehr glaubt er, dass sie originäre, in unserer Gegenwart sich stellende Probleme aufwirft, deren Vorlauf seine Geschichte der Philosophie zu rekonstruieren unternimmt. Letztere entspringt auf diese Weise einer nachträglichen Deutung dessen, was die Anfänge der Philosophie freigesetzt haben. Von diesen Anfängen her lassen sich allerdings vielfältige Geschichten der Philosophie nacherzählen. Der bestimmte Artikel kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie unvermeidlich selbst vom Plural affiziert wird. Wie die Vielzahl der bereits vorliegenden Philosophiegeschichten in der Einheiteiner philosophischen Geschichte aufgehen können soll, weiß offenbar niemand anzugeben.Die Geschichte der Philosophie, die alle bereits erzählten Geschichten der Philosophie(n) in sich aufheben würde, gibt es nicht und kann es auch nicht geben. Letztere erweisen sich als genauso inkompossibel wie plurale Perspektiven, die sich nicht zum Gesamtbild einer Stadt oder gar des Univers