: Alexandre Dumas fils
: Die Kameliendame Roman
: Aufbau Verlag
: 9783841227591
: 1
: CHF 4.40
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: Hauptwerk vor 1945
: German
: 232
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

Romeo und Julia in Paris.

Marguer te liebt Armand, einen jungen Mann aus den besten Pariser Kreisen. Als ihr von seinem Vater vorgehalten wird, sie stehe dem Glück Armands im Wege, beugt sie sich den Forderungen der Gesellschaft, die keine ehemalige Kurtisane in ihren Reihen dulden will ... 

An der Wende von der Romantik zum Realismus entstand die ergreifende Geschichte der hochherzigen Kokotte, die aus Liebe ihrer Liebe entsagt. 

'Dumas verpackt in seine Geschichte subtile Kritik an einer Gesellschaft, die mehr Wert auf Abstammung und Besitz legt als auf den Menschen selbst.' NZZ am Sonntag.



Alexandre Dumas d. J. (1824-1895) war der uneheliche Sohn seines berühmten Vaters und wurde von diesem erst anerkannt, als Ruhm und Mittel es ihm erlaubten. Früh in die Pariser Lebewelt eingeführt - deren Bezeichnung als demi-monde auf den Titel eines seiner Stücke zurückgeht -, verkehrte er in ihr als Dandy, wie sein Vater, aber auch als sensibler Beobachter ihrer Leere und Nichtigkeit. Mit 20 Jahren lernte er die gleichaltrige Marie Duplessis, eine zauberhafte Modistin kennen und später auch lieben, die bald die begehrteste Mätresse von Paris werden sollte. 'Die Kameliendame' ist die Geschichte dieser Marie Duplessis.

I


Gestalten erschaffen kann meiner Meinung nach nur, wer die Menschen lange Zeit erforscht hat, wie ja auch niemand eine Sprache beherrscht, der sie nicht gründlich erlernt hat.

Ich selber habe freilich das Alter noch nicht erreicht, in dem man dichtet, und darum will ich mich begnügen, hier nur zu berichten. Das heißt, der Leser darf von der Wahrheit dieser Geschichte überzeugt sein, deren Personen mit Ausnahme der Heldin alle noch leben. Überdies gibt es in Paris für viele der Geschehnisse, die ich hier vorbringe, genügend Zeugen, die sie bestätigen können, wenn man mir etwa nicht glaubt. Den Bericht niederzuschreiben aber ermöglicht mir ein seltsamer Zufall, denn mir allein sind die besonderen Zusammenhänge mitgeteilt worden, ohne welche er weder vollständig sein würde noch Anteilnahme zu erregen vermöchte.

Die Sache kam folgendermaßen zu meiner Kenntnis. – Am 12. März 1847 las ich in der Rue Laffitte auf einem großen gelben Maueranschlag die Anzeige einer Versteigerung von Möbeln und zahlreichen Luxusgegenständen, und zwar einer Versteigerung wegen Todesfall. Der Anschlag nannte den Verstorbenen nicht, der Verkauf aber sollte am Sechzehnten in der Rue d’Antin Nr. 9 von zwölf bis fünf Uhr vor sich gehen.

Ferner war unter anderem angegeben, dass man Wohnung und Möbel am Dreizehnten und am Vierzehnten besichtigen könne.

Ich war immer ein Liebhaber von Kunstdingen und nahm mir vor, diese Gelegenheit nicht zu versäumen und mir, sollte ich nichts kaufen, wenigstens etwas anzusehen. So begab ich mich des andern Tages in die Nr. 9 der Rue d’Antin.

Trotz der frühen Stunde hatten sich bereits Menschen zur Besichtigung eingefunden, sogar Frauen, die, obwohl in Samt und Kaschmirschals gehüllt und in eleganten Kutschen vorgefahren, die Kostbarkeiten, die sich ihren Blicken darboten, staunend und sogar voller Bewunderung betrachteten.

Ich begriff sehr rasch dies Staunen und Bewundern, denn sobald ich mich genauer umzusehen begann, erkannte ich unschwer, dass ich mich in der Wohnung einer ausgehaltenen Frau befand. Wenn nun Damen von Welt, und es waren solche da, etwas zu sehen begierig sind, so ist es die Einrichtung solcher Frauen, deren Kutschen täglich ihre eigenen in Schatten stellen, die wie sie und neben ihnen in der Großen Oper und im Italienischen Theater ihre Logen haben und Paris durch ihre freche Schönheit, durch ihre Juwelen und ihre Skandale in Aufregung halten.

Die hier gewohnt hatte, war freilich tot. Die tugendsamen Damen durften daher getrost bis in ihr Schlafzimmer vordringen. Der Tod hatte die Luft dieses gleißenden Lasterpfuhles gereinigt, und überdies konnten sie sich falls nötig damit rechtfertigen, dass sie zu einer Versteigerung kämen, ohne eine Ahnung zu haben, wo sie sich befinden. Sie hätten die Anschläge gelesen, wollten besichtigen, was diese Anschläge ankündigt