„Ich kann es gar nicht glauben!“, rief Lilly schon zum dritten Mal. „Wohnen wir wirklich in einem richtigen Schloss?“ Aufgeregt zog sie an einer Locke des Drachen, auf dessen Rücken sie unter den Wolken flog. „Wie lange dauert es denn noch, Archie?“
Monsieur Archibald schüttelte verärgert seinen Kopf. „Mon Dieu, Mademoiselle. Es reischt mit die Gezappelle auf meine strapaziert Rücken. Und lass sofort die Finger von mein wunderschön Friseur, sonst werde isch nervös und du fällst in die ganz Tiefe.“
Lilly kicherte. Wieder einmal wunderte sie sich, dass ihr Hauslehrer, der auch Chauffeur, Kindermädchen und vor allem Besserwisser war, so schlecht Deutsch sprach. Ungewöhnlich für einen gebildeten Lehrer, fand sie.
„Ich wusste gar nicht, dass wir auch noch einen Friseur an Bord haben, Archie. Nur sehr berühmte Menschen verreisen mit ihrem Friseur. Oder meinst du vielleicht Frisur? Sei nicht so streng mit mir. Man wird ja wohl noch fragen dürfen, wann wir endlich ankommen! Wir sind nun schon seit fast zwei Tagen unterwegs. Du musst inzwischen mehrmals die Erde umkreist haben, mein Lieber. Vielleicht solltest du in Zukunft einen Kompass dabeihaben …“
Sie schaute nach unten. Weit und breit war kein Schloss zu entdecken, nur ein großer dunkler Wald. Es sah nicht danach aus, als würden sie bald landen. Jetzt flog der Drache sogar noch ein wenig höher.
„Oh Mann!“, jammerte Lilly. „Nicht in die Wolken krachen, Archie! Ich habe meine Regensachen nicht an.“
Aus einer der Satteltaschen, die über dem Rücken des Drachen hingen, tauchte der zierliche Kopf einer Schildkröte auf. „Lilly, lass Monsieur Archibald in Ruhe fliegen. Für den Drachenflugverkehr gilt dasselbe wie in öffentlichen Verkehrsmitteln: Bitte den Fahrer nicht in seiner Konzentration stören!“
Lilly guckte schuldbewusst. „Entschuldigung, Frau Wu. War ja nur eine kleine Frage. Unser letzter Zwischenstopp ist schon ziemlich lange her. Ich sehne mich nach festem Boden unter den Füßen. Kommen wir heute überhaupt noch an?“ Sie schüttelte ihre Beine aus und wickelte ihren lila Schal fester.
„Keine Sorge, es ist nicht mehr weit“, sagte die Schildkröte. „Ich bin für den großen Umweg verantwortlich. Ich wollte verhindern, dassDIE GIERIGEN uns sofort wieder ausspionieren. Ich möchte gerne, dass wir uns in unserem neuen Zuhause sicher fühlen.“
Lilly blies erschrocken die Backen auf. AnDIE GIERIGEN hatte sie gerade gar nicht gedacht. Vor dieser schrecklichen Bande waren ihr Onkel Clemens und sie schon seit einiger Zeit auf der Flucht.DIE GIERIGEN hatten Lillys Eltern entführt und hielten sie auf einer einsamen Insel gefangen. Ihr Ziel: Sie wollten unbedingt die magische Schuhwerkstatt der Familie Wunder in ihren Besitz bringen.
Clemens Wunder nähte magische Schuhe für Kinder, die in der Klemme steckten und Hilfe brauchten.
Mit feinem Gespür musste er zuallererst herausfinden, welche Magie den Kindern helfen könnte. Erst dann konnte er sich mit Fingerspitzengefühl an die Arbeit machen.
Lilly hatte sein Talent geerbt und fand es total aufregend, mit magischen Materialien aus der ganzen Welt die passenden Schuhe anzufertigen. Besonders schön war, dass sie d