Wie schon angedeutet, zeigen sich die Folgen eines Traumas vor allem dann, wenn Betroffene an die auslösende Situation erinnert werden. So ist es zuallermeist nach einem Monotrauma. Ein Anblick, ein Geräusch, ein Geruch, eine Körpererinnerung führen dazu, dass diejenige oder derjenige in seiner emotionalen Wahrnehmung sich plötzlich wieder – so schnell wie ein Schuss – in der Vergangenheit befindet. Je intensiver sich das Erlebnis eingebrannt hat, umso stärker befinden sich Betroffene umfassend im »Dort und Damals«. Nehmen wir an, ein Kind hat einen Autounfall erlebt, ohne dabei verletzt zu werden. Trotzdem wird sich das Erlebnis intensiv »eingebrannt« haben. Wird das Kind möglicherweise durch ein Geräusch an den Unfall erinnert, zieht sich im Schreck der Erinnerung die Muskulatur des Körpers zusammen, ohne dass dies bewusst gesteuert werden kann (Körper). Währenddessen kommt vielleicht der Gedanke »Ich werde sterben« (Kognition). Ein solcher Gedanke taucht plötzlich auf, ohne dass sich das Kind tatsächlich in Gefahr befindet. Vielleicht entsteht parallel dazu ein merkwürdiges Gefühl im Bauch, das Angst signalisiert (Emotion). Und dann hält sich das Kind schnell die Ohren zu und rennt aus dem Zimmer (Verhalten). All diese Reaktionen geschehen blitzartig, nicht in einer so ordentlichen Reihenfolge, wie eben beschrieben.
Was kann man tun? Es ist gut, das Kind dann zu reorientieren, also wieder in das »Hier und Jetzt« einzuladen. Jede Frage, z. B. »Was soll das denn jetzt?«, hilft in solchen Situationen oft nicht. Auch eine einfache Handlungsanweisung wie »Lass das jetzt mal, es ist doch alles in Ordnung« kann in solchen Momenten häufig nichts verändern. Reorientierungen können Informationen über die Zeit, den Ort und die Personen beinhalten, zusätzlich eine Aussage über die Sicherheit. Zum Beispiel: »Du bist in Sicherheit. Wir sind hier zu Hause (Ort) und wir essen gleich Abendbrot (Zeit). Ich bin hier und Papa ist auch hier. Guck, das sitzt auch deine Schwester Susanne (Personen).« Dabei ist erforderlich, darauf zu achten, ob das Kind bereit ist, zuzuhören. Kann es das nicht, braucht es vielleicht eine Auszeit, um sich ohne Hilfe zu beruhigen.
Es gibt auch andere Reaktionen, die nicht so auffällig sind. Manche Kinder zeigen ihren Erinnerungsschreck nicht so klar erkennbar. Wenn ein Kind beispielsweise »angetriggert« wird und in eine Schreckstarre gerät, können auch Körper, Kognition, Emotion und Verhalten betroffen sein, aber eben in der Erstarrung. Auch dann ist eine Reorientierung hilfreich. Da viele unterschiedliche Auslösereize in das »Dort und Damals« zurückversetzen können, sind manche Reaktionen voraussehbar, andere nicht. Nach einem Monotrauma kann es vorkommen, dass ein Kind über Wochen keine Auffälligkeiten zeigt, dass es scheinbar genesen ist. Dann kommt es Monate oder Jahre später unter Umständen zu Symptomen, oft in Zeiten, in denen durch eine neue Entwicklungsstufe oder durch familiäre Veränderungen Phasen der Unsicherheit entstehen. Eine neue Entwicklungsstufe könnte den Wechsel von der Kindertagesstätte zum Schulbesuch beinhalten, es könnte auch ein Umzug sein oder eine Veränderung in der Familienstruktur. Doch, wie schon erwähnt, geschieht bei Monotraumata häufig eine dauerhafte Genesung.
Bei den Bindungsstraumata verhält es sich anders. Ist ein Kind dauerhaft in seinen Bedürfnissen nach Schutz vor Unversehrtheit, nach Fürsorge und nach sozialen Kontakten enttäuscht worden und hat es stattdessen Misshandlung oder Vernachlässigung von denjenigen erfahren müssen, von denen als Bezugspersonen die Erfüllung dieser Bedürfnisse zu erwarten war, hat das Kind ein Training darin erfahren, mit diesem Missverhältnis umzugehen. Es kann auf der Verhaltensebene besonders gut kämpfen, fliehen oder erstarren. Bei ganz kleinen Kindern ist die Möglichkeit der Flucht nicht gegeben, sie können aber gut schreien und strampeln (Kampf), oder sie wenden den Blick ab, verlieren jede Körperspannung und lassen alles mit sich geschehen. Gleichzeitig fliehen sie in Gedanken, denn bewusst mit allen Sinnen ist dann nicht zu ertragen, was mit ihnen geschieht. Dieser Zustand, auch als »Dissoziation« bekannt, passiert nicht nur kleinen Kindern. Je früher und je häufiger Kinder diese Verhaltensweisen als Notfallreaktionen anwenden mussten, umso deutlicher werden sie zu einem wesentlichen Teil ihrer Persönlichkeit. In einem späteren Absatz wird dies verständlicher, wenn es um die Vorgänge im Gehirn geht und darum, wie sich das Gehirn strukturiert.
Jetzt soll erst einmal deutlich werden, wie es kommt, dass Bindungstraumata andere Auswirkungen haben als Monotraumata. Wer immer wied