: Renate Silberer
: Hotel Weitblick
: Verlag Kremayr& Scheriau
: 9783218012737
: 1
: CHF 13.40
:
: Erzählende Literatur
: German
: 240
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Vier Führungskräfte einer Werbeagentur, ein Wochenende in einem abgelegenen Hotel: Wer den Geschäftsführer-Posten bekommen soll, entscheidet der von Selbstzweifeln geplagte Consulter Marius Tankwart. Seine Auswahlseminare sind berühmt, doch der erbitterte Kampf der Manager untereinander macht eine gemeinsame Lösung unmöglich, und als er im Verhalten der Teilnehmer schließlich die Erziehungsmethoden einer Nazi-Pädagogin wiedererkennt, muss er eine Entscheidung treffen, von der sein eigenes Überleben abhängt. Mit einem Kammerspiel der sogenannten Leistungsträger konzentriert Renate Silberer in ihrem Romandebüt die zwischenmenschlichen Konflikte in einem Punkt. Sie richtet einen entlarvenden Blick auf die erlernten Handlungsweisen unserer Gesellschaft und legt deren zutiefst beunruhigende Ursprünge frei. 'Er sieht den röhrenden Hirsch: Ach, wie wünschte ich mir, sie würden alle einmal ins Wanken geraten, jeder Mensch sollte an irgendeinem Punkt in seinem Leben wenigstens ein einziges Mal seine Standfestigkeit verlieren.'

Renate Silberer, geboren 1975, lebt in Linz. Für ihre Gedichte und Prosaarbeiten wurde sie mit diversen Stipendien ausgezeichnet, u. a. mit dem Rauriser Förderungspreis 2013. 2017 erschien ihr Erzählband 'Das Wetter hat viele Haare' bei Kremayr& Scheriau. Die Arbeit an ihrem Debüt-Roman 'Hotel Weitblick' wurde mit einem Jubiläumsfondsstipendium der Literar-Mechana und einem Projektstipendium des Bundeskanzleramtes gefördert.

Bahamas Joe

Am Ende der Gerechtigkeit kann nur Leistungsgerechtigkeit stehen. Ich bin gegen Gleichmacherei, die Menschen müssen das Gefühl haben, dass sich Leistung wieder lohnt. Ständig auf Verteilungsgerechtigkeit zu schielen, da sägen wir uns nur den Ast ab, auf dem wir sitzen.

Horst sendet. Ein guter Morgen beginnt mit dem ersten Posting nach dem Einloggen in das Diskussionsforum und einer Tasse Kaffee, wie lange noch, bis es Frühstück gibt, es ist erst 06:20.

Wo ist mein Posting von gestern Nacht? Etwa gelöscht, eine Frechheit. Es war nichts Beleidigendes oder gar Unsittliches, diese Moderatoren sind einfach nicht objektiv.

Bahamas Joe

Gilt Meinungsfreiheit nichts mehr in diesem Land? Müssen die Anständigen schweigen, darf man die Wahrheit nicht mehr aussprechen und ich sage es noch einmal: Unser Sozialstaat kann nicht für alle aus der ganzen Welt geöffnet werden. Erst gehören die Grenzen geschlossen, dann kann geholfen werden. Nicht umgekehrt. Oder lassen wir es so weit kommen, dass wir einen Stacheldraht um jedes Wohnhaus errichten müssen, zum Schutze unserer Habe?

Horst zieht sein dunkelblaues Sakko an, Dolce und Gabbana, die neuen Loafer. In der Teeküche bedient er den Kaffeeautomaten und holt sich einen großen Mokka. Eigenverantwortung zählt nichts mehr heutzutage, wie auch der Wille zu Leistung und persönlichem Einsatz, jeder, der etwas werden will, hat die Chance dazu. Anpacken heißt das, aber wir, wir leben in einer verweichlichten und tugendfreien Zeit.

Er trinkt einen kleinen Schluck Kaffee, zu heiß. Hoffentlich schmeckt der Kaffee im Frühstücksraum besser, denkt er und trinkt die Tasse in einem Zug leer. Ein Staubfussel auf dem Boden, das darf aber nicht passieren, wird hier nicht regelmäßig gereinigt, fragt er sich und schüttelt den Kopf.

Vor der Tür des Hotels weht ein kalter Wind. Er stellt den Kragen seines Sakkos auf. Nur die Beine vertreten, um den Kopf freizukriegen. Diese Wahrheitsverdreher im Forum und der Ärger mit Veronika noch dazu. Du bist sauer auf mich, sti