: Peter Christian Endler
: finden und loslassen Betreuende Angehörige, Demenzkranke und ein Psychotherapeut im Gespräch Geschichten zur Selbsterfahrung
: Facultas / Maudrich
: 9783991112853
: 2
: CHF 13,20
:
: Angewandte Psychologie
: German
: 192
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Das Buch enthält Geschichten aus der Praxis eines Psychotherapeuten (vor, im und nach dem ersten Corona-Lockdown) und Impulse aus der Gesundheitsforschung. Es wendet sich an Menschen, die beruflich, ehrenamtlich oder privat mit betreuenden Angehörigen, Altgewordenen oder Demenzkranken zu tun haben und diese besser unterstützen möchten. Angesprochen sind auch betreuende und pflegende Angehörige selbst - Begleitende, die sich und ihre Aufgabe besser verstehen und eine belastende Lebensphase als Chance für die eigene Entwicklung nutzen wollen.

DDr. Peter Christian Endler ist Psychotherapeut und Gruppenanalytiker im gerontopsychiatrischen Setting und in der studentischen Weiterbildung, sowie Hochschullehrer für Gesundheitswissenschaften

1.

In guten wie in schlechten Zeiten

Belastete Partnerschaften

I

„Einmal hat mir mein Mann ins Lenkrad gegriffen und mich gegen die Autotür gedrückt – Rippenprellung, im Krankenhaus haben sie es angezeigt. Auch sonst, zu Hause, musste ich schon ein paarmal die Polizei holen – weil: Die Rettung kann ihn ja nicht mit Gewalt in die Klinik bringen.“

II

In der Gruppe, über die ich hier berichte, betreuen drei Personen eine Partnerin bzw. einen Partner; auf diese drei Personen fokussiere ich:

Joachim, 68 Jahre alt, in seiner beruflich aktiven Zeit Beamter mit Nebenjob in der Telefonseelsorge, seit 36 Jahren verheiratet, drei Töchter. Bei seiner Frau, die um drei Jahre jünger ist als Herr Joachim, wurde vor zwei Jahren eine Alzheimer-Demenz diagnostiziert.

Christine, 63, pensionierte AHS-Lehrerin, seit 22 Jahren in zweiter Ehe verheiratet, keine Kinder. Bei Frau Christines Mann, der um 11 Jahre älter ist als sie, wurde vor drei Jahren ebenfalls eine Demenz (vaskulär sowie Alzheimer) diagnostiziert.

Heidrun, 57, Beamtin, seit 32 Jahren verheiratet, eine Tochter. Bei Frau Heidruns Mann, der vier Jahre älter ist als sie, wurde vor einem Jahr eine Jakob-Kreuzfeld-Demenz festgestellt.

Weitere regelmäßige Teilnehmerinnen dieser Gruppe sind vier Frauen, die ihre Eltern bzw. einen Elternteil betreuen (über solche Konstellationen werde ich in späteren Kapiteln erzählen). Die TeilnehmerInnen spreche ich in den Sitzungen mit „Frau“ bzw. „Herr“ plus Vornamen an. Die Gruppe trifft sich in zweiwöchigen Abständen 16-mal.

III

Sitzung 1: „Wir sind nicht dazu da, das Leben unserer Eltern zu verlängern!“, meint Christine, nachdem andere ihre Miseren mit Vätern und Müttern geschildert haben.

Eine Teilnehmerin hat von ihrem alkoholkranken Vater berichtet: „Meint er die Flasche, die ich mitbringe, oder mich, wenn er sich freut, dass ich komme?“, eine andere von einem höchstbetagten Elternpaar: „Das Heim ist die einzige Lösung, wenn ich selbst überleben will“, eine andere von einer gebrechlichen, aber nicht kranken Mutter: „Irgendwann habe ich gesehen, dass ich mich mehr um meine eigenen Kinder kümmern muss, und für die Mutter eine 24-Stunden-Pflege organisiert“ und von einer beginnend dementen, immer schon dominanten Mutter: „Aber seit meine kleine Nichte auf der Welt ist, habe ich eine neue Aufgabe, das ist eine große Freude“.

Christine betreut ihren demenzkranken Mann: „Wir sind super organisiert“.

Joachim erzählt, dass er mit seiner demenzkranken Frau seit 35 Jahren beisammen ist: „Aber jetzt bin ich vor allem der Blitzableiter“.

Heidrun spricht von ‚emotionaler Distanz‘, die ihr der Hausarzt verordnet hat.

Mich interessiert, was die Anwesenden bewegt, ich ermuntere sie, Enttäuschung und Wut zuzulassen und zu benennen, und beachte, dass alle gut eingebunden si