: Jack Lord Nasher-Awakemian
: Überzeugt! Wie Sie Kompetenz zeigen und Menschen für sich gewinnen
: Campus Verlag
: 9783593436005
: 1
: CHF 22.20
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: Angewandte Psychologie
: German
: 256
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
EINFACH BEEINDRUCKEN Beruflicher Erfolg hängt zum größten Teil von Kompetenz ab. Allerdings zählt Ihre wahrgenommene Kompetenz dabei mehr als Ihre tatsächliche. Das bedeutet nicht, dass Sie Ihr Abschlusszeugnis verbrennen können. Sondern dass Sie bewusster daran arbeiten sollten, wie andere - Kunden, Vorgesetzte oder Kollegen - Sie wahrnehmen. Tatsächlich sind Menschen miserabel darin, die Kompetenz anderer zu bewerten. Denn sie fällen ihr Urteil nicht auf Basis von Fakten, sondern Eindrücken. Und diese können Sie steuern! Verbale und nonverbale Kommunikation sind hier nur die halbe Miete: Zum echten Gewinner wird, wer psychologische Effekte und Phänomene nutzt, um sein Standing zu verbessern. Jack Nasher hat die wirkungsvollsten für Sie zusammengetragen. Einfach beeindruckend!

Jack Nasher-Awakemian, Jahrgang 1979, ist laut Forbes »einer der weltweit führenden Verhandlungsberater«. Er wurde in Deutschland geboren, studierte und lehrte an der Oxford University und wurde einer der jüngsten bayerischen Hochschulprofessoren. Das von ihm gegründete NASHER Verhandlungsinstitut berät und trainiert Unternehmen auf der ganzen Welt mit Fokus auf den deutschen Mittelstand. Jack Nasher legte Stationen beim Europäischen Gerichtshof, bei den Vereinten Nationen und der führenden Wall-Street-Kanzlei Skadden ein. Medien wie das Wall Street Journal, Die Zeit oder die Harvard Business Review berichten über ihn. Jack Nashers Bücher erschienen von China bis in die USA und wurden zu Bestsellern. Jack Nashers Ziel ist es, Wissenschaft und Praxis der optimalen Verhandlungsführung zu vereinen.
Vorwort
Jeder Neubeginn geht aus vom Ende eines anderen Beginns.
Seneca
Im Jahr 2004, mein Studium in Oxford ging gerade zu Ende, erschien mein Buch Die Kunst, Kompetenz zu zeigen. Ich weiß noch, wie ich das Päckchen mit dem ersten Exemplar entdeckte und sogleich mit zittrigen Händen aufriss: mein erstes Buch! Ach, wie tief greifend dieses Werk die Welt verändern würde! Doch was geschah? Nichts.
Mein Erstlingswerk kam, wie der schottische Philosoph David Hume es einmal über eines seiner Bücher formulierte, 'tot aus der Druckerpresse'. Als ich bald im Buchladen meiner Heimatstadt ein Exemplar vorfand, war ich zwar höchst erfreut; und noch zufriedener, als ich nach einem Kaffee zum Buchladen zurückkehrte und das Buch verschwunden war - verkauft! Zu Hause bei meiner lieben Mutter begegnete ich dem Exemplar allerdings wieder, denn sie war die Käuferin.
Doch dann, im Jahr 2010, erschien mein Buch Durchschaut! Das Geheimnis, kleine und große Lügen zu entlarven und ging binnen weniger Wochen zehntausendfach über den Ladentisch. Anscheinend über Nacht war ich zum Bestseller-Autor avanciert. Mein Erstlingswerk war zu diesem Zeitpunkt längst in Vergessenheit geraten, aber plötzlich, im Windschatten des Erfolgs, erreichten mich immer mehr Anfragen zum Thema 'Competence Display', wie ich die gesammelten Techniken damals nannte. Was einst Staub angesetzt hatte, war im Internet kaum noch für unter 100 Euro zu haben.
Besonders in Erinnerung geblieben ist mir eine Buchpräsentation. Die Buchhändlerin hatte einen Verkaufstisch mit Exemplaren von Durchschaut! vorbereitet und daneben erspähte ich einen Stapel meines Erstlingswerks, den sie im Lager zutage gefördert hatte. Als ich der Dame von der unverhofften Popularität dieses Buches erzählte, verlangte sie - Buchpreisbindung hin oder her - kurzerhand 50 Euro pro Stück. Nach drei Minuten war nicht Durchschaut! ausverkauft, sondern Die Kunst, Kompetenz zu zeigen. Und durch den Erfolg meiner beiden weiteren Bücher steigerte sich das Interesse noch. Es verging kaum ein Tag, ohne dass mich eine Anfrage erreichte.
Ein schnöder Nachdruck hätte mir für wenig Aufwand gutes Geld eingebracht (was mir gut gefallen hätte). Doch nicht nur, dass inzwischen unzählige neue Studien, Bücher und Aufsätze erschienen sind - in dieses Buch flossen Aberhunderte Quellen ein -, dazu kam noch: Nach ebenso vielen Vorträgen und Seminaren bei den unterschiedlichsten Unternehmen schärfte sich mein Blick für das, was wirklich zählt. Nachdem ich meine Erkenntnisse auf akademischen Tagungen von Rom bis nach Sri Lanka der Wissenschaftswelt präsentiert hatte, gestaltete sich auch die Systematik immer ausgefeilter.
Ich verstehe meine Arbeit als Anwendung der Wissenschaft auf die Praxis und während des letzten Jahrzehnts haben sich auf diesem Themenfeld beide Seiten gegenseitig befeuert. Das kondensierte Ergebnis halten Sie nun in den Händen.
Ich freue mich schon darauf, das Paket mit dem ersten Exemplar dieses Buches mit zittrigen Händen aufzureißen, und hoffe, dass die Lektüre zumindest Ihre Welt verändert.
Jack Nasher, München, im Januar 2017
Kapitel 1
Wahrgenommene Kompetenz
Zu prunken verstehen. Es ist die Glanzbeleuchtung der Talente; für jedes derselben kommt eine günstige Zeit: Diese nutze man, denn nicht jeder Tag wird der des Triumphes sein.
Baltasar Gracian
Das Experiment
Was wäre, wenn einer der größten Violinvirtuosen der Welt ein Konzert vor über 1?000 Menschen gäbe - allerdings in einer Bahnstation? Ohne Ankündigung. Unerkannt. Und während der Rushhour.
Genau diese Frage stellte der US-Journalist Gene Weingarten einem Experten, nämlich dem Direktor des National Symphony Orchestra Leonard Slatkin - und er erhielt folgende Antwort1: 'Angenommen, man würde ihn nicht erkennen und einfach für einen x-beliebigen Straßenmusiker halten ... ich kann mir trotzdem nicht vorstellen, dass man ihn übersehen würde ... ich schätze, von 1?000 Menschen würden etwa 35 oder 40 seine Qualitäten erkennen. Vielleicht würden knapp 75 bis 100 stehen bleiben und eine Weile zuhören.'
'Danke, Maestro', sagte Gene Weingarten und fuhr fort: 'Tatsächlich ist das gar keine hypothetische Frage. Es ist tatsächlich passiert.'
'Und, lag ich richtig?', fragte Slatkin neugierig.
'Das erfahren Sie gleich', antwortete der Journalist.
'Wer war der Musiker?'
'Joshua Bell.'
'NEIN!'
Oh doch. Just dieses Experiment wurde mit keinem Geringerem durchgeführt als mit eben diesem Joshua Bell, der - erst Ende 30 - im Zuge seiner märchenhaften Karriere schon als 'Wunderknabe' und 'Genie', mitunter auch als 'Gott' bezeichnet worden war. Mit 17 trat er bereits als Solist in der Carnegie Hall auf, er spielte mit den namhaftesten Orchestern der Welt, etwa dem London Symphony Orchestra, und wurde mit Preisen regelrecht überhäuft, erhielt den Mercury, den Gramophone und den Echo Klassik, einen Grammy und gewissermaßen sogar einen Oscar: Bell hatte den Soundtrack zum Film 'Die rote Violine' eingespielt, der einen Academy Award für die beste Filmmusik gewann.
Nur Straßenmusiker, das war Joshua Bell bis zu diesem Januartag im Jahr 2007 noch nie gewesen.
Um kurz vor acht Uhr an jenem kalten Morgen steigt also einer der meistgefeierten Violinisten seiner Generation die Stufen zur L'Enfant Plaza Station in Washington D.C. hinab. Er platziert den Geigenkasten vor seinen Füßen und entnimmt ihm seine Fidel, genauer gesagt eine Stradivari, die der berühmte Geigenbauer 1713 in seiner 'goldenen Epoche' angefertigt hatte, ein Instrument im Wert von knapp 4 Millionen Dollar. Bell zückt den Bogen, natürlich nicht irgendeinen, sondern ein Exemplar aus der Werkstatt des Bogen-Meisters François Tourte aus dem späten 18. Jahrhundert. Da steht er nun, dieser schlaksige, jungenhafte Mann, getarnt mit einer Baseball-Mütze. Erst drei Tage zuvor hat er die Boston Symphony Hall bis auf den letzten Platz gefüllt, bei Ticketpreisen ab 100 Dollar.
Und er setzt an - zur Chaconne aus Johann Sebastian Bachs Partita Nr. 2, für einen Violinisten das Maß aller Dinge, für den Komponisten Johannes Brahms gar 'eines der wunderbarsten, unbegreiflichsten Musikstücke ... eine ganze Welt von tiefsten Gedanken und gewaltigsten Empfindungen. Hätte ich das Stück machen, empfangen können', schrieb Brahms ergriffen, 'ich weiß sicher, die übergroße Aufregung und Erschütterung hätten mich verrückt gemacht.'2
Ein weltbekannter Violinist setzt also nun mit seiner Stradivari zu diesem epochalen Stück an.
Was geschieht?
Ach ja, eines vorab noch: Im Vorfeld äußerten die Herausgeber der Washington Post größte Bedenken hinsichtlich der Sicherheitslage. Sie befürchteten einen tumultartigen Andrang, die Involvierung der Nationalgarde, um die Lage wieder in den Griff zu bekommen, den Einsatz von Tränengas, Gummigeschossen und so weiter, wahre Schreckensszenarien wurden ausgemalt. Und doch entschied man sich, das riskante Experiment durchzuziehen.
Und tatsächlich geschieht etwas. Allerdings erst drei Minuten und 63 vorbeilaufende Passanten später, und 'geschehen' ist wohl doch ein wenig hoch gegriffen: Ein Mann mittleren Alters verlangsamt seinen Gang und scheint zu bemerken, dass da jemand musiziert. Na immerhin. Schließlich wirft eine Frau einen Dollar in den Geigenkasten, doch sie spurtet sogleich weiter. In den kommenden 43 Minuten bleiben ganze sieben (von 1097!) Menschen stehen, stolze 27 werfen Geld in den Koffer - jedoch ohne auch nur einen Moment lang innezuhalten. Niemand applaudiert.
Ein paar Meter weiter, am Lotto-Kiosk, stehen die ganze Zeit eine Menge Menschen an, von denen sich in der knappen Dreiviertelstunde niemand auch nur in die Richtung der Musik dreht. Die Schuhputzerin, eine temperamentvolle Brasilianerin, die ebenfalls nur ein paar Meter entfernt postiert ist, schimpft derweil über den Krach. Wenigstens ruft sie nicht die Polizei, wie sonst. Die Ausbeute: 32 Dollar und 17 Cent. Gar nicht übel für einen Straßenmusiker. Was Bell aber nur der einen Dame zu verdanken hat, die den Star erkennt und völlig verdutzt 20 Dollar in den Koffer wirft.
Es gibt sechs Momente, die Bell als besonders peinlich empfindet - die Sekunden unmittelbar nach Abschluss eines Stücks: kein Applaus, gar nichts. Bell steht einfach belämmert in der Stille herum und beginnt irgendwann mit dem nächsten Stück. 'Es war ein komisches Gefühl', erinnert er sich später, 'dass mich die Leute ... na ja ... ignoriert haben. Im Konzerthaus werde ich wütend, wenn jemand hustet oder wenn ein Handy klingelt ...'
Einer der besten Geiger der Welt spielt also auf einer Stradivari eines der größten Meisterwerke aller Zeiten und es passiert so gut wie nichts. Dabei war man zuvor überaus zuversichtlich gewesen, dass die Menschen Bells wahre Größe erkennen würden, dass der Genius für sich selbst spricht.
Fehlanzeige.
Kompetenz spricht nicht für sich selbst. Sie können die oder der Beste aller Zeiten sein, auf welchem Gebiet auch immer - und kein Mensch merkt es. Womöglich hält man Sie sogar für eine Pfeife. Sie müssen Ihre Kompetenz schon zeigen.
Genau darum geht es in diesem Buch.
Die wahre Wirkung von Erfolg und Misserfolg
Die Forschung zeigt immer wieder, wie schwer sich der Mensch damit tut, fähige Fachleute zu identifizieren.3 Wie es scheint, kann man nur die wenigsten Leistungen auf den ersten Blick durch objektive Kriterien richtig beurteilen.4 Der kritische Genuss von Musikdarbietungen zählt da vielleicht noch zu den kleineren Herausforderungen ...
Aber sprechen Ergebnisse nicht doch für sich? Denn nicht nur sportliche Wettkämpfe können in klaren Siegen oder Niederlagen enden, einen ebenso deutlichen Erfolg oder Misserfolg kann man auch bei Dienstleistungen beobachten.
In der Tat: Ein Rechtsanwalt kann einen Prozess gewinnen oder eben verlieren. Doch auch bei einer Niederlage kann der Anwalt durchaus noch als kompetent gelten - und umgekehrt, schließlich wird die Kompetenz eines Anwalts wohl kaum an der Prozentzahl der gewonnenen Prozesse gemessen. Bei einem Arzt verhält es sich ebenso: Schlägt eine Behandlung an, könnte sie sehr simpel gewesen sein, es könnte sich gar um eine selbstständige Genesung nach natürlichem Krankheitsverlauf handeln. Scheitert die Therapie, war diese vielleicht von vornherein unmöglich. Das Gleiche ist der Fall bei einem Vertriebschef. Steigen die Verkaufszahlen, hat dies möglicherweise nur wenig mit seiner Kompetenz zu tun, vielleicht hat trotz seiner Unfähigkeit die Qualität des Produktes die Kundschaft überzeugt oder das Marketing endlich Wirkung gezeigt. Auf der anderen Seite: Wenn die Verkäufe einbrechen, könnte es an der erstarkten Konkurrenz liegen. Genauso ist es auch in der Politik, wo ein Staatschef trotz starker Konjunkturlage und geringer Arbeitslosigkeit als inkompetent wahrgenommen werden kann. Und umgekehrt.
Ein konkretes Beispiel aus der Wirtschaft: Im Jahr 1983 engagierte das US-amerikanische Telekommunikationsunternehmen AT&T die Beraterfirma McKinsey& Company, um Prognosen zur Zukunft des mobilen Telefonmarktes erstellen zu lassen. Thomas Sugrue, der damalige Chef des staatlichen Wireless Communication Bureau, erinnert sich: 'McKinsey& Co. erklärte AT&T, dass bis zum Jahr 2000 höchstens eine Million US-Amerikaner Mobiltelefone in Anspruch nehmen würde - maximal.'5
Es kam anders: Bis zum Jahr 2000 nutzten über 80 Millionen US-Amerikaner ein drahtloses Telefon, die Vorhersage lag also um mehr als 8?000?Prozent daneben. Und auf Grundlage dieser Beratung hatte AT&T strategische Entscheidungen getroffen, die nun zu Milliardenverlusten führten.6 Die ehrwürdige 'American Telephone& Telegraph Company', einst eines der meistbewunderten Unternehmen der Welt, schrumpfte unaufhörlich und wurde ein paar Jahre darauf von Southwestern Bell geschluckt, einer ehemaligen Tochter.
Doch wie erging es McKinsey im Jahr 2000, als dieser Milliardenfehler offensichtlich wurde? Sprang ein Großteil der Klienten ab, stand die Firma kurz vor dem Bankrott? Mitnichten, es war ein ausgesprochen erfolgreiches Jahr für McKinsey. Der gute Ruf der Firma nahm nicht den geringsten Schaden.
So seltsam es erscheinen mag: Erfolg oder Misserfolg haben erschreckend wenig Einfluss auf die Wahrnehmung von Kompetenz. Man kann auch im Scheitern kompetent wirken und im Erfolg inkompetent.
Ist das nicht etwas übertrieben? Nein, es ist noch untertrieben: Selbst beim Fehlen jeglicher realen Kompetenz kann die 'wahrgenommene' Kompetenz unangetastet bleiben. Bis zum 20. Jahrhundert war es im Krankheitsfall gesünder, überhaupt nicht zum Arzt zu gehen, weil die Universalbehandlung 'Aderlass' nicht nur nichts brachte, sondern häufig Infektionen zur Folge hatte. Aber auch damals, ja schon in primitivsten Gesellschaften ohne jegliche medizinischen Kenntnisse, genossen Ärzte und Medizinmänner hohes Ansehen.
Der Eindruck von Kompetenz kann sich eben auch dort halten, wo wir es wirklich besser wissen sollten. Der amerikanische Psychologe Philip Tetlock bat Hunderte von Experten aus den Bereichen Wirtschaft, Politik und Militär, die Ereignisse der folgenden fünf Jahre auf ihrem jeweiligen Gebiet zu prognostizieren.7 Das ernüchternde Ergebnis: Es half überhaupt nichts, wenn ein Experte als besonders qualifiziert galt, im Gegenteil, die Reputation hatte sogar einen negativen Effekt - diejenigen mit besonders gutem Ruf irrten sich am gewaltigsten. Ein Forschungsergebnis, das sich täglich in den Aussagen sogenannter Experten widerspiegelt, die im Fall von einschneidenden Ereignissen, etwa von Finanzkrisen oder Kriegsausbrüchen, mit ernster Miene genauestens erklären, wieso es dazu kommen musste - aber vorausgesehen haben sie es natürlich nicht.
Folglich muss der gesunde Menschenverstand an dieser Stelle korrigiert werden: Schlechte Arbeit führt eben nicht zwangsläufig zur entsprechenden Außenwahrnehmung. Was leider auch für gute Arbeit gilt. Nach Joshua Bells Auftritt in der Metrostation wurden einige Passanten interviewt. 'Ja, ich habe den Geiger gesehen', so eine Anwältin auf dem Weg zur Arbeit. Und ihr nüchternes Resümee: 'Aber nichts an ihm hat mich irgendwie beeindruckt.'
Das Problem der richtigen Bewertung
Ist diese Anwältin 'dumm' - wegen ihrer Blindheit für offensichtliche Kompetenz? Wie sieht es denn bei Ihnen aus? Haben Sie einen guten Zahnarzt? Vermutlich halten Sie ihn für kompetent, sonst hätten Sie ihn wohl längst gewechselt, womöglich haben Sie ihn sogar schon weiterempfohlen. Doch wie kommen Sie zu Ihrem Urteil, wenn Sie selbst nichts von Zahnmedizin verstehen? Seien Sie ehrlich: Sie haben keine Ahnung. Sie verlassen sich auf Kriterien (vielleicht Sauberkeit oder Freundlichkeit), die bei näherer Betrachtung kaum etwas mit tatsächlicher Kompetenz zu tun haben.8 Selbst in persönlichen Gesprächen tun wir uns sehr schwer damit, die Fähigkeiten unseres Gesprächspartners richtig zu bewerten.9
Nach meinem Jurastudium arbeitete ich als Referendar bei der US-Wirtschaftskanzlei Skadden. 'The Firm', wie Skadden ehrfurchtsvoll genannt wird, ist hoch spezialisiert auf Mergers& Acquisitions und gilt laut Forbes-Magazin als 'mächtigste Kanzlei der Wall Street'. Da saß ich angehender Weltenlenker nun täglich über zwölf Stunden vor meinem Computer, artig in Anzug und Krawatte gekleidet - ein Jogginganzug wäre bequemer und auch gar nicht fehl am Platz gewesen, zumal ich den Klienten überhaupt nicht und meinen Kollegen nur in der Mittagspause begegnete -, und erstellte sogenannte SPAs, Share-Purchase-Agreements, also Kaufverträge über Unternehmensbeteiligungen. Die Kollegen in den Nachbarbüros links und rechts gingen der gleichen Beschäftigung nach: SPAs schreiben. Wir hatten alle die gleiche Ausbildung, die fast gleichen Noten und sahen ehrlich gesagt auch ziemlich gleich aus. Und dennoch: Ehe ich als Partner in die Sozietät aufgenommen werden könnte - die höchste anwaltliche Weihe -, hätte ich als Neueinsteiger typischerweise sieben bis zehn Jahre warten müssen.10 So lange benötigten die Damen und (hauptsächlich) Herren in den größeren Büros, um sich darüber klar zu werden, ob man ihnen eventuell ebenbürtig sein könnte.
Menschen, die alle täglich mehr oder weniger das Gleiche tun, benötigen also sieben bis zehn Jahre, um die Kompetenz ihrer Kollegen einzuschätzen. Wie soll dann ein Laie die Kompetenz eines Fachmanns angemessen beurteilen? Und doch pilgern Rat suchende Mandanten täglich zu Anwälten, um sich ein Bild von deren Kompetenz zu machen - ein naives Unterfangen, aber was bleibt ihnen anderes übrig? Täglich müssen wir entscheiden, wen wir mit bestimmten Aufgaben betrauen, vom Friseur bis zum Steuerberater. Alle beurteilen wir immerfort gegenseitig unsere jeweilige Kompetenz, obwohl wir in der Regel keine Ahnung davon haben, was uns aber nicht davon abhält, Kompetenz weiterhin als entscheidend zu erachten.
Doch halt! Beginnt nicht jedes Sachbuch mit einer wasserdichten Definition? Müsste daher 'Kompetenz' nicht erst einmal definiert werden? Nein. Denn Definitionen sind logisch genauso unmöglich wie Letztbegründungen. Auf diese Unmöglichkeit bezog sich der deutsche Wissenschaftstheoretiker Hans Albert mit seinem 'Münchhausen-Trilemma', einer ironischen Anspielung auf Baron Münchhausen, der behauptete, sich an seinem eigenen Schopf aus einem Sumpf gezogen zu haben.11 Denn hinterfragt man jedes Wort einer Definition, gibt es nur drei mögliche Konsequenzen: Wir beschreiben die Worte mit anderen Worten, die wiederum hinterfragt werden können, was jedoch irgendwann in eine Sackgasse führen muss, da die Anzahl der Worte begrenzt ist. Oder es kommt zum Zirkelschluss: Irgendwann wiederholen sich die Worte in einer Endlosschleife, was logisch unsinnig ist. Dies führt zwangsläufig zur dritten Konsequenz: Das Verfahren muss abgebrochen werden.
Insofern sind Definitionen nichts als Trugbilder, die Genauigkeit nur vorspiegeln. Kurz gesagt spart man sie sich am besten gleich. Zumal ohnehin jedem klar ist, was mit Kompetenz gemeint ist: eine Kombination aus Wissen und Fähigkeiten, die für anfallende Aufgaben relevant sind.12 Es ist also klar, was Kompetenz ist. Eine strenge Abgrenzung ist auch deshalb wenig zielführend, weil etwa Intelligenz und Kompetenz so eng miteinander korrelieren, dass diese zwei Faktoren in der Forschung teils zu einem einzigen Faktor zusammengefasst werden.13 Daher genügt ein grobes Umreißen völlig und dadurch gewinnen wir Zeit, uns der wirklich wichtigen Frage zu widmen: Welche Faktoren zählen tatsächlich, welche nicht?
Zurück zum Wesentlichen: Kompetenz gilt im beruflichen Kontext mit als wichtigste Eigenschaft, gleichauf mit 'Glaubwürdigkeit' und noch vor 'Beliebtheit'.14 Was auch sonst sollte die Basis sein für Leistungsbeurteilungen, die wiederum entscheidend sind für Einstellungen, Beförderungen, ja, für die Aufgabenverteilung schlechthin, und natürlich auch für die Frage nach angemessener Vergütung?15
Kurz gesagt: Kompetenz ist der entscheidende Faktor, wenn es darum geht, Menschen von sich zu überzeugen.
Die Situation stellt sich also folgendermaßen dar:
Wir können Kompetenz nicht sachgerecht bewerten.
Wir halten Kompetenz für die zentrale Eigenschaft im Berufsleben.
Durch die zunehmende Komplexität, durch die die Welt nach und nach zur undurchschaubaren 'Black Box' wird, haben wir noch dazu ein immer stärkeres Bedürfnis danach, uns mit kompetenten Menschen zu umgeben. Wir suchen immer mehr Halt bei der Kompetenz anderer.16
Doch was gibt uns Halt? Nicht die tatsächliche Kompetenz, die für uns eben ein Buch mit sieben Siegeln ist, sondern die wahrgenommene Kompetenz, also eine Kompetenz, von der wir glauben, sie bei anderen zu erkennen. Unterscheidet man zwischen wahrgenommener und tatsächlicher Kompetenz, leuchtet es ein, dass es inkompetente Menschen geben muss, die hoch angesehen sind, und gleichzeitig so manch hoch kompetente Menschen regelmäßig verkannt werden - man hält sie zu Unrecht für unfähig. Daher also der dritte Punkt:
Für den Erfolg zählt weniger die tatsächliche als die wahrgenommene Kompetenz.
Das Prinzip der Gerechtigkeit
Wie geht es Ihnen mit diesem dritten Punkt? Ruft er bei Ihnen nicht auch ein gewisses Unbehagen hervor? Tief in uns verwurzelt ist ein Glaube, der uns durch unsere ganze Kindheit begleitet hat, von Grimms Märchen bis zum Disney-Film: Am Ende bekommt jeder, was er verdient. Der Böse wird bestraft, der Gute heiratet die Prinzessin.
An jenem Januartag kam auch Stacy Furukawa zufällig in der Metrostation vorbei. Sie blieb vor Joshua Bell stehen und konnte nicht fassen, dass sie von Ignoranten umzingelt war: 'Das war das Erstaunlichste, das ich jemals in Washington gesehen habe. Joshua Bell stand da und spielte, aber die Leute hielten nicht an, sie schauten noch nicht mal und manche haben ihm Münzen zugeworfen ... Ich dachte mir: Oh mein Gott, in was für einer Stadt leben wir eigentlich?'
Es war kein Wunder, dass Stacy Furukawa den Virtuosen identifizieren konnte: Sie hatte wenige Wochen zuvor eines seiner Konzerte besucht. Dennoch hing sie der Überzeugung an, dass sie - als Einzige von über 1?000 Menschen - das Genie auch ohne diesen günstigen Umstand eindeutig erkannt hätte, weil wahre Größe für sich selbst spricht. Aber natürlich.
Diese naive Weltsicht bezeichnete der Psychologe Alan Lerner als 'Prinzip der gerechten Welt'.17 Im Zuge des Aufwachsens verinnerlichen wir feste Moralvorstellungen und Werte, doch mit der Zeit stellen wir langsam fest, dass dieser schöne Glaube mit der Realität wenig zu tun hat: Häufig bekommt der Bösewicht am Ende die Prinzessin und der Gute schaut in die Röhre.
Immer wieder machen wir diese Beobachtung, und doch haben wir Schwierigkeiten damit, das Weltbild unserer Kindheit vollständig abzuschütteln. Doch so wichtig es für unsere Entwicklung hin zu einem moralischen Wesen war, so hinderlich ist es für unser späteres Fortkommen. Es ist eine Verblendung, die höchstens dabei hilft, die Ungerechtigkeit der Welt zu ertragen. Diejenigen, die ihren Irrtum einsehen und ihn dennoch nicht ablegen können, verschieben ihre Hoffnung auf eine gerechte Abrechnung ins Jenseits und verschreiben sich der Religion. Die anderen akzeptieren die Gegebenheiten und machen das Beste aus dem Hier und Jetzt.
'Wir bekommen nicht, was wir verdienen, sondern was wir verhandeln', sagte einmal jemand, und was für das Verhandeln gilt, gilt auch für die Demonstration von Kompetenz.18 Viele erwarten, dass der Vorgesetzte, der einen nur alle paar Monate sieht, instinktiv ahnt, wie fähig man ist; dass die Kunden schon spüren, was man kann.
Das ist leider Unsinn. Doch in Ihnen sträubt sich immer noch alles gegen diese Ungerechtigkeit? Nun, basteln Sie Transparente und gehen Sie in der Fußgängerzone demonstrieren, schreiben Sie eine Postkarte an Gott - ändern wird es nichts. Kluges Handeln bedeutet, sich mit den Gegebenheiten nicht nur zu arrangieren, sondern sie zum eigenen Vorteil zu nutzen. John F. Kennedy soll einmal gesagt haben: 'Die Welt ist ungerecht, doch nicht unbedingt zu Deinen Ungunsten.' Ein kluger
Allumfassende Kompetenz?
Ein schöner Traum
Da drängt sich die Frage auf, welcher Kriterien wir Menschen uns überhaupt bedienen, um die Kompet


Nanu, fragen Sie sich innerlich vielleicht so





Herausforderungen. Doch der Einzelne - der ist aus der

Sicherheit im Ozean von Unsicherheit




Er gab mir ein




Eine Frage der Technik