: Tom Diesbrock
: Kopf aus dem Sand! Erste Hilfe für unruhige Zeiten und berufliche Sackgassen
: Campus Verlag
: 9783593446554
: 1
: CHF 17.10
:
: Ausbildung, Beruf, Karriere
: German
: 246
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Das Workbook für schwierige Zeiten im Job, berufliche Sackgassen und die Mid-Career-Crisis Die berufliche Zukunft ist derzeit in vielen Branchen ungewiss. Doch den Kopf in den Sand zu stecken, erschwert bekanntermaßen die Orientierung. Hier leistet der Karriere-Coach und Psychologe Tom Diesbrock »mentale Erste Hilfe«.• Sind Sie unzufrieden mit Ihrer beruflichen Situation?• Zweifeln Sie an sich und Ihren Fähigkeiten und Chancen?• Wissen Sie nicht, was Sie wollen und wohin Ihre berufliche Reise gehen soll?• Fühlen Sie sich blockiert - und sehen womöglich den Wald vor lauter Bäumen nicht? Tom Diesbrock unterstützt Sie dabei, Ihre berufliche Situation in Ruhe zu analysieren, schrittweise Möglichkeiten und Wünsche für den weiteren Karriereweg zu entwickeln und schließlich konkrete Entscheidungen zu treffen. »Die reinste Form des Wahnsinn ist es, alles beim Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert.« Albert Einstein

Tom Diesbrock - Psychologe und Psychotherapeut - arbeitet als Karriere- und Lebenscoach in Hamburg. Mithilfe von Konzepten aus Neurowissenschaft und positiver Psychologie zeigt er Möglichkeiten auf, mit Ängsten, Selbstzweifeln und inneren Widerständen einen klugen Umgang zu finden.

Kapitel 1
Den Kopf im Sand und keine Ahnung, wie es weitergeht?


Von Krisen, schwierigen Zeiten und Sackgassen im Job

Einführung

In diesem Kapitel erkläre ich Ihnen, wie unruhige Zeiten, Krisen und berufliche Sackgassen uns und unser Berufsleben durcheinanderbringen, wie destruktiv Aktionismus sein kann und warum wir so schnell den Kopf in den Sand stecken. Außerdem bekommen Sie einen kleinen Test zur Krisen-Selbstanalyse.

Die Realität ist manchmal eine ganz schön nervige und anstrengende Angelegenheit. Kein Wunder, wenn wir manchmal lieber den Kopf in den Sand stecken, als uns mit ihr herumzuärgern. Gerade in beruflich schwierigen Zeiten ist das nur allzu menschlich. Wenn dann noch der Druck von außen oder innen wächst und man anfängt, vertraute Gewissheiten infrage zu stellen, ist es nicht gerade leicht, einen kühlen Kopf zu bewahren.

Manche Menschen verfallen daraufhin in Aktionismus – sie suchen zum Beispiel hektisch in Stellenbörsen nach einem neuen Job und greifen nach jedem Angebot, das sich ihnen bietet. Hauptsache, man ist irgendwie aktiv und findet schnell irgendeine Lösung.

Andere hingegen stecken lieber den Kopf in den Sand und machen auf Teufel komm raus immer weiter wie bisher. Vielleicht weil sie glauben, an ihrem Job doch nichts ändern zu können, oder weil sie befürchten, sich auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr zurechtzufinden. Viele Menschen zweifeln auch an ihren Fähigkeiten oder wissen gar nicht so recht, was und wohin sie eigentlich wollen. Und wer möchte schon erleben, dass man der (Arbeits-)Welt mutig in die Augen schaut – um dann festzustellen, dass sie einen gar nicht mehr braucht?

Viele von uns erleben unruhige Zeiten im Job als Dauerzustand – wenn die beruflichen Aussichten unsicher sind, Abteilungen und Unternehmen ständig umstrukturiert werden, Tätigkeitsprofile und Anforderungen sich mit immer höherer Geschwindigkeit verändern oder man nicht weiß, wie sich die technische Entwicklung auf die eigene Tätigkeit auswirken wird. Andere Menschen leiden vor allem darunter, dass ihr Job so gleichförmig ist und man ihnen keine Entwicklungschancen gibt.

Aber nicht nur äußere Einflüsse können uns beruflich stürmische Zeiten bescheren. Gar nicht so selten werden Krisen nämlich von einem lange aufgestauten Veränderungsdruckvon innen ausgelöst. Wenn Menschen beispielsweise über lange Zeit ihre Unzufriedenheit im Job ignoriert haben, wird ihnen zumeist eines Tages bewusst, dass sie unmöglich so weitermachen können. Dann finden sie sich plötzlich in einer Sackgasse wieder, in die sie sich selbst – mit dem Kopf im Sand – über Monate und Jahre immer tiefer hineinmanövriert haben.

Beispiel

Norbert

Norbert kam zu mir, weil ihn seine berufliche Situation sehr sorgte. Er war Anfang dreißig, angestellt als Führungskraft in einem großen Unternehmen der Tourismusbranche und wie die meisten seiner Kollegen wegen der Corona-Pandemie gerade in Kurzarbeit. Seine beruflichen Aussichten waren völlig unklar. Noch wurde offiziell zwar nicht über einen Stellenabbau gesprochen, aber Norbert war sich sicher, dass es zu Kündigungen kommen werde. Natürlich hätte er in Ruhe abwarten können, wie sich die Dinge für ihn entwickelten. Aber er hielt die Unsicherheit nicht aus, litt unter Schlafstörungen und konnte kaum an etwas anderes denken als an alle möglichen Katastrophenszenarien.

Deshalb wollte er jetzt unbedingt handeln. »Ich kann doch nicht warten, bis man mir den Stuhl vor die Tür stellt! Und wenn man sich aus der Arbeitslosigkeit bewirbt, hat man doch immer schlechtere Karten. Sollte ich nicht lieber gleich die Branche wechseln, so mies wie es im Tourismusbereich gerade aussieht? Ich würde auch eine Umschulung in Kauf nehmen und ein geringeres Gehalt. Hauptsache, ich finde schnell einen sicheren Job.«

Von mir wollte Norbert wissen, wie er sich am besten verhalten sollte, welche Karrierestrategie die »objektiv richtige und erfolgversprechendste« ist. Ich fragte ihn, ob er denn wirklich meine, dass irgendjemand wissen könne, wohin die Reise geht und wie man sich »objektiv richtig« verhalten sollte. »Aber jemand muss mir doch sagen, was ich tun soll«, antwortete er verzweifelt. »Ich habe schließlich eine Familie zu ernähren und kann doch nicht von Hartz IV leben!«

Was sich in Norberts Kopf abspielt, ist typisch für krisenhafte Situationen: Er kann die Unsicherheit nicht aushalten, sein Stresspegel geht durch die Decke, und so sieht er bald nur noch Gefahren und Risiken. Seine Ressourcen, Stärken und vor allem seine Wünsche blendet sein Gehirn als »nicht überlebenswichtig« aus. Durch diesen stressbedingten Tunnelblick fehlt ihm jeglicher Abstand zur Situation, und klares Denken ist kaum noch möglich. In so einem mentalen Zustand ist es ganz normal, nach Orientierung suchend instinktiv nur nach außen zu schauen – nach rettenden Jobs oder Ratschlägen –, und dabei nur in Richtig-oder-falsch-Kategorien zu denken.

Aktiv oder aktionistisch?


Drehe ich Schrauben mit einem Schraubenzieher in die Wand, ist das eineAktivität. Sie mit dem Hammer zu bearbeiten, weil ich gerade kein anderes Werkzeug zur Verfügung habe, ist dagegen purerAktionismus. Dieses Phänomen ist häufig bei Menschen wie Norbert zu finden, die gerade in einer schwierigen Situation stecken und stark unter Stress stehen.

Haben Sie schon einmal den BegriffKognitive Dissonanz gehört? Die Psychologie beschreibt damit einen unangenehmen Gefühlszustand, der aus sich widersprechenden, nicht zueinander passenden Gedanken, Wünschen, Werten oder Wahrnehmungen entsteht. Wenn ich beispielsweise meine Projektidee nur zu gern im Meeting präsentieren würde, gleichzeitig aber eine Riesenangst davor habe, mich zu blamieren, dann stecke ich in einer inneren Zwickmühle.

Unser Gehirn mag keine Dissonanzen, weil sie uns verwirren, inneren Druck aufbauen und eine Menge Energie verbrauchen. Am liebsten hätte es alles schön eindeutig. Und deshalb versuchen unsere grauen Zellen stets, irgendwie einen möglichst simplen Ausweg aus inneren Konflikten zu finden. Eine Möglichkeit besteht darin, die Realität ein bisschen zu verbiegen, zu glätten oder teilweise auszublenden, sodass Dissonanzen nicht mehr so deutlich werden. Oder wir leugnen ganz einfach einen Teil unseres Konflikts, indem wir beispielsweise einfach behaupten, gar keine Angst zu haben.

Eine andere beliebte Strategie zum Dissonanzabbau ist der Aktionismus: Indem ichirgendwie handle undirgendetwas tue, baue ich inneren Druck ab und kann mir selbst und meinen Mitmenschen auch noch zeigen, dass ich aktiv und voller Tatendrang bin. Dass mein Tun in Wirklichkeit aber weder überlegt noch zielgerichtet ist, blende ich dabei aus. Es ist, als würde ich energisch immer nur im Kreis laufen und mir dabei einbilden, richtig große Fortschritte zu machen. Aktivität hat mit Aktionismus ungefähr so viel zu tun wie »gut« mit »gut gemeint«.

In beruflich unruhigen Zeiten, egal ob in Krisen oder Sackgassen, haben wir ständig mit kognitiven Dissonanzen zu tun:

  • Wirwollen zum Beispiel das eine, glauben aber, etwas anderes tun zumüssen.

  • Wir haben Angst, dass etwas Fürchterliches geschieht – obwohl wir im Grunde wissen, dass unsere Angst doch sehr übertrieben ist.

  • Wir sind mit unserem Job sehr unzufrieden und befürchten gleichzeitig, niemals einen besseren zu finden.

  • Oder wir sind zwar total überarbeitet, glauben aber, als »Minderleister« zu gelten, wenn wir einen Gang herunterschalten würden.

Versuchen wir dann reflexhaft, so ein inneres Dilemmaaktionistisch zu lösen, stürzen wir uns in die nächstbeste Tätigkeit oder beschäftigen uns gleichzeitig mit viel zu vielen Aufgaben, ohne eine zu Ende zu bringen. Damit wächst das Risiko, sich zu überlasten und auszubrennen. Oder wir schreiben kopf- und ziellos Bewerbungen – eine »klassische« aktionistische Ausweichhandlung.

Die Gefahr aktionistischen Denkens und Handelns wird in...