Altersarmut ist schon heute ein ganz konkretes Problem, doch für künftige Generationen wird die Situation noch deutlich düsterer werden, wenn wir nicht handeln. Als VdK-Präsidentin habe ich in den vergangenen Jahren viele ältere Menschen kennengelernt, die unter sehr schwierigen Bedingungen leben. Oft sind es Frauen. Sie erzählen mir dann, dass sie ihr Leben lang sehr hart gearbeitet haben, meist in Berufen mit überschaubarer Bezahlung. Zum Beispiel als Kassiererin, Pflegekraft oder in der Gastronomie. Nebenbei haben sie Kinder erzogen, sich um Eltern oder Schwiegereltern gekümmert oder kranke Angehörige versorgt. Oft haben sie auch in Regionen gewohnt, in denen es phasenweise sehr schwer war, einen halbwegs vernünftigen Arbeitsplatz zu finden, sodass sie immer wieder Zeiten durchlebt haben, in denen sie kaum etwas für ihr Rentenkonto tun konnten. Fast alle, die ich kennengelernt habe und die heute im Alter nur sehr wenig Geld zur Verfügung haben, sind nicht in diese Situation geraten, weil sie kaum oder gar nicht gearbeitet haben, im Gegenteil: Sie haben in der Regel sogar mehr kämpfen müssen als andere. Besonders häufig sind auch chronische Erkrankungen die Ursache für Armut im Alter. Bei Menschen, die aufgrund einer Erkrankung nicht mehr dauerhaft arbeiten können, spricht man von Erwerbsminderungsrentnern. In Deutschland ist laut Bundesarbeitsministerium jeder Siebte von ihnen auf ergänzende Sozialhilfe angewiesen, weil seine Erwerbsminderungsrente nicht ausreicht.9 Die sogenannten Abschläge, die Kürzungen ihrer Bezüge um bis zu 10,8 Prozent, müssen unbedingt wegfallen. Diese Menschen sind von ihrer Krankheit oft hart getroffen und dürfen nicht auch noch durch Rentenabzüge für ihre Situation bestraft werden.
Derzeit geht man statistisch davon aus, dass insgesamt fast 20 Prozent der Rentner von Altersarmut betroffen sind.10 Der Maßstab dafür ist die sogenannte Armutsgefährdungsquote. Mehr und mehr Menschen werden ihre Rente mit Grundsicherung im Alter aufstocken müssen, um ihre Existenz notdürftig abzusichern. Die Grundsicherung im Alter ist die Sozialhilfe bzw. das Hartz IV für Rentner. Um sie beantragen zu können, muss man erst einmal fast sein ganzes Erspartes aufbrauchen. Dann bekommt man Leistungen, die in etwa dem Niveau von Hartz IV entsprechen, und das, wie oben erwähnt, oft nach jahrzehntelanger harter Arbeit.
Oft höre ich das Argument, dass es in Deutschland doch gar keine Armut gebe, da Menschen ja Grundsicherung beantragen können. Häufig wird es von Personen vorgebracht, für die es selbstverständlich ist, genug Geld für Konzerte, Reisen oder Restaurantbesuche zu haben. Sie können sich gar nicht vorstellen, was es bedeutet, wenn man sich zwischen dem Zoobesuch mit den Enkelkindern und dem Einkauf von Obst oder Hustensaft entscheiden muss. Aber genau das ist das Schicksal, von dem wir sprechen. Die Vorstellung, dass sich Rentnerinnen oder Rentner teils zwischen ihrer Gesundheit und einem Geschenk für die Enkel entscheiden müssen, empfinde ich als sehr bedrückend. Studien beweisen, dass viele Menschen mit kleinen Renten sich schämen, zum Sozialamt zu gehen, zum Beispiel weil sie Angst vor Nachteilen für ihre Kinder und Enkel haben.11
In unseren Städten und Dörfern ist Altersarmut mittlerweile an zahlreichen Stellen sichtbar, zum Beispiel an der wachsenden Zahl von Rentnern, die ihr Essen von den Tafeln holen. Der Besuch bei der Tafel ist für diese Menschen demütigend und deprimierend. Deswegen sammeln auch immer mehr Rentner Flaschen, um das Pfand einzulösen, oder arbeiten in einem Minijob, buchstäblich bis sie tot umfallen. Ihre Zahl hat sich in den letzten 20 Jahren auf knapp eine Million verdoppelt.12 Grund dafür ist ganz oft der Zwang, sich noch etw