1. KAPITEL
„Du gehörst mir, Lady.“ Daniel Eastwood warf seine Jeans zu dem Sweatshirt, das bereits im Sand lag. „Mir die kalte Schulter zu zeigen, wird dir nichts nützen.“
Sie war an diesem Morgen noch schöner als am Tag zuvor … und am Tag davor. Daniel war bereit für sie. Voller Vorfreude rollte er die breiten Schultern.
Drei lange Schritte und er tauchte in die Wellen des Atlantiks ein. Wie immer fügte sich die See seinen kraftvollen Schwimmzügen. Ihre kalten Finger griffen nach ihm und trugen ihn hinaus ins tiefe Wasser. In jeder grüngrauen Woge konnte er ihre Stärke spüren. Er schwamm genau eine halbe Meile parallel zum menschenleeren Strand, bevor er umkehrte und an die Stelle zurück kraulte, an der er sich ins Meer gestürzt hatte.
Vom ersten Moment an hatte Daniel eine fast schon intime Beziehung zur See gehabt. Er hatte sie zum ersten Mal während eines Schulausflugs von Baltimore nach Ocean City gesehen. Sie hatte auf das Stadtkind, das da auf dem hellen Sand stand, zugleich einschüchternd und faszinierend gewirkt. So viel Wasser! Und dieses Wasser schien in seinem eigenen Takt zu atmen. Die frische Luft gab dem kleinen Dan das Gefühl, stark zu sein, ein ganz neuer Mensch zu sein.
Obwohl er noch am selben Tag in die Stadt zurückkehren musste, hatte er die Schönheit des Meeres nie vergessen. Er hatte immer gewusst, dass er nirgendwo anders leben wollte als an der Küste.
Sobald er alt genug war, war er zurückgekehrt und hatte einen Sommerjob als Rettungsschwimmer angenommen. Von da an war er – abgesehen von der Zeit, die er bei den Marines verbracht hatte – jedes Jahr im Juni mit der Gleichmäßigkeit der Gezeiten wieder hergekommen.
Doch obwohl er die See liebte, wusste er, dass sie unberechenbar war. Es gab plötzliche Böen. Tiefes Wasser an Stellen, an denen es am Tag zuvor noch flach gewesen war. Es gab Strömungen, die selbst den stärksten Schwimmer mit sich reißen und umbringen konnten. Doch er liebte die Kraft und die Schönheit der See, auch wenn sie nicht ungefährlich war.
Als Dan jetzt den Kopf zur Seite wandte, um ein letztes Mal Luft zu holen, bevor er mit vier weiteren Kraulschlägen den Strand erreichen würde, sah er eine Frau neben seinen abgelegten Kleidern stehen. Mit der Hand schirmte sie die Augen vor der Morgensonne ab. Sie wirkte wie jemand, der seinetwegen gekommen war, nicht wie eine Spaziergängerin, die nur kurz einem Schwimmer zusehen wollte.
„Was zum Teufel …“, murmelte Dan und schluckte unabsichtlich einen Schwall Salzwasser. Seine Leute wussten, dass er um diese Zeit nicht gestört werden wollte. Er kam im brusthohen Wasser auf die Füße und musterte die Frau.
Sie war nicht von hier, denn dann würde er sie kennen. Sie war groß für eine Frau, stellte er fest, wahrscheinlich höchstens einen Kopf kleiner als er. Ihr rostbraunes Haar trug sie zu einem Knoten zusammengebunden. In ihrem grünen Kostüm wirkte sie am Strand deplatziert. Sie hielt ihre braunen Pumps in einer Hand und sah sogar auf die Entfernung genervt aus.
Als er langsam aus dem Wasser kam, änderte sich ihr Gesichtsausdruck. Sie wirkte jetzt beunruhigt. Vielleicht fürchtete sie, dass er ohne Badehose geschwommen war, dachte Dan. Er lächelte, als er auf sie zuging. Nach einigen weiteren Schritten aus dem Wasser heraus wurde dann klar, dass er nicht nackt war.
Sofort hoben sich ihre Mundwinkel.
Dan musste sich ein Grinsen verkneifen. Er hätte viel dafür gegeben, ihr Gesicht zu sehen, wenn er heute Morgen doch nackt geschwommen wäre.
„Werfen Sie mir bitte mein Handtuch her!“, rief er und steuerte direkt auf sie zu.
Sie runzelte die Stirn, als würde sie ihn wegen der lauten Brandung nicht verstehen. Dann sah sie sich um und griff schließlich nach dem Handtuch.
„Finden Sie es nicht ein bisschen ungewöhnlich im November in Maryland zu baden?“, fragte sie.
„Durchaus nicht.“ Die folgende Bemerkung konnte er einfach nicht unterdrücken: „Ich bin sehr heißblütig.“
Sie verdrehte die Augen und warf ihm das Handtuch zu. „Oh, bitte …“
„Es ist wirklich wahr. Meine Körpertemperatur ist etwas höher als die der meisten Menschen. Das war schon immer so. Allerdings kennt meine Begeisterung auch Grenzen. Wenn die See zufriert, schwimme ich nicht mehr.“
„Das klingt vernünftig“, antwortete sie amüsiert.
Elly zwang sich, den Horizont zu betrachten und nicht den fast nackten Mann. Sie versuchte sich daran zu erinnern, warum sie mitten im Winter am Strand stand und fror. Aber es fiel ihr schwer, Dan Eastwood nicht anzusehen. Keiner der Männer, die sie kannte, hatte einen solchen Körper. Die breiten muskulösen Schultern eines Schwimmers, einen festen Waschbrettbauch und schmale Hüften, die in starke Beine übergingen.
Aber sie war nicht hierhergekommen, um mit ihm zu