2. Kapitel
ALTES UND NEUES ORAKEL
»Was sollte das denn?«, ertönte eine wohlbekannte Stimme. Palla Lau rappelte sich auf.
»Palla! Du bist es!«, rief Alex und lachte vor Erleichterung.
»Ich weiß nicht, was daran so lustig ist«, knurrte Palla, während sie sich den Hosenboden abklopfte.
»Entschuldige bitte«, erwiderte Alex. »Aber wir dachten, du wärst ein Schakal.«
»Diese abscheulichen Geschöpfe. Wie kommt ihr denn darauf?«, fragte Palla.
»Wir haben sie gesehen«, sagte Benn leise. »Mit Deela.«
Pallas Ärger verflog schlagartig und sie schlug die Hände vors Gesicht.
»Deela hat gesagt, dass sie kommen würden.« Sie brachte die Worte nur mühsam und stockend hervor. »Wir haben nach ihnen Ausschau gehalten. Als schließlich Ebbe war, haben wir sie auf dem Dammweg gesehen, und Deela hat gesagt, dass ich mich verstecken soll. Ich wollte nicht. Aber sie ist richtig böse geworden. Sie hat gesagt,ich muss jetzt das Orakel sein.« Palla schluckte. Sie blinzelte Alex und Benn mit Tränen in den Augen an. »Ich wollte schon immer das Orakel sein. Aber nichtso.«
In der Höhle wurde es still. Alex stand auf und trat wieder an den Höhleneingang. Dort setzte sie sich, fühlte den kalten Wind im Gesicht und sah die Wolken schnell über den nachtblauen Himmel ziehen, sah den Mond hinter ihnen auf- und abtauchen. Sie blickte zu den Klippen und den hohen Mauern von Rekadom hinüber und dachte an ihren Vater, der dahinter gefangen gehalten wurde – so wie nun auch Deela. Sie wusste, wenn der Sturm nicht vor der nächsten Ebbe abflaute, würde sie selbst auch bald dort sein. Alex starrte in die Tiefe, bis das Meer den Dammweg wieder überspült hatte. Wenigstens besaß Rekadom keinen Hafen, und es bestand keine Gefahr, dass die Schakale mit Booten übers Meer kamen.
»Der Dammweg ist überflutet!«, rief sie Benn und Palla zu. »Wir sind in Sicherheit.« Leise fügte sie hinzu: »Vorerst.«
Im Morgengrauen kletterten sie über den steilen Pfad in Deelas Häuschen zurück, das oben auf dem Orakelfels stand. Palla kniete sich im Wohnzimmer vor das Feuer und fütterte es Stück für Stück mit Meereskohle, als wäre es ein krankes Tier. Draußen tobten Wind und Regen weiter, und trotz der Anstrengungen des Feuers wollte die Kälte nicht aus ihren Knochen weichen. Erst nach einer Tasse heißer Milch mit Zimt und Nelken, die Palla zubereitete, sanken Benn und sie, in Decken gewickelt, neben dem Feuer in einen unruhigen Schlaf.
Palla hingegen kam nicht zur Ruhe. Rastlos lief sie im Zimmer auf und ab und konnte nur eines denken: Was geschieht mit Deela?
Deela saß auf einem klammen Strohhaufen in so tiefer F