: Tom Chesshyre
: Slow Train Eine Liebeserklärung an Europa heute in 25 Stationen
: DuMont Reiseverlag
: 9783616491172
: DuMont Welt - Menschen - Reisen E-Book
: 1
: CHF 11.60
:
: Reiseberichte, Reiseerzählungen
: German
: 334
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

Da E-Book basiert auf: 1. Auflage 2020, Dumont Reiseverlag

Die Freiheit auf Schienen genießen - dafür begibt sich der britische Autor Tom Chesshyre auf eine abenteuerliche Zugreise quer durch Europa: Von London über die Ukraine bis nach Venedig. Das eigentliche Reiseziel: Europa und seine Bewohner kennenlernen. Und herauszufinden, was sie in politisch und gesellschaftlich aufgewühlten Zeiten wie diesen verbindet. Tom Chesshyre reist ohne genauen Plan, eben dorthin, wohin die Schienen führen, und freundet sich unterwegs mit seinen Mitreisenden an - und natürlich mit dem ein oder anderen Schaffner. Ein persönlicher Reisebericht, der zeigt, was Europa zusammenhält. Und eine leidenschaftliche Einladung, sich mit dem nächsten Zug selbst auf den Weg zu machen.

  • Grenzenlos und bewusst: Mit dem Zug zu den Menschen Europas
  • Eine Reise von London über die Ukraine nach Venedig
  • Kluge Einblicke in Politik, Gesellschaft und Tourismus

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<p><strong>Tom Chesshyre</strong>, 1971 in London geboren, war 21 Jahre lang Reiseschriftsteller bei<em>The Times</em>. Er hat zudem unzählige Beiträge für renommierte britische Zeitungen und Zeitschriften geschrieben und für<em>Condé Nast Traveller</em>und<em gt;National Geographic</em> gearbeitet. Er ist Autor von mehreren Reiseberichten, darunter auch erfolgreiche Bände über das Zugreisen. Tom lebt in Mortlake in London.</p><p>< /p>

KAPITEL 2

VON CALAIS NACH BRÜGGE

>>Zer is no train today<<

C alais ist 33 Kilometer von Großbritannien entfernt, und es ist ein seltsamer Ort mit einer faszinierenden Geschichte. Traurige Bekanntheit erlangte Calais wegen einer Dschungel genannten Zeltstadt (nicht weit vom Fährhafen) mit Asylsuchenden, die hofften, nach Großbritannien zu kommen. Nach Beschwerden des Vereinigten Königreichs, dass Frankreich nicht genug dagegen unternehme, dass sich Menschen in Autos und Lastwagen auf den Zügen durch den Eurotunnel verstecken, wurde das Camp im Oktober 2016 geräumt. Präsident Macron hat allen potentiellen Flüchtlingen und Migranten erklärt, dass Nordfrankreich eine »Sackgasse« sei und dass der Versuch, den Kanal zu überqueren, zwecklos wäre. Trotzdem wurden im Jahr vor meiner Reise über 115.000 solcher Versuche unternommen – und das ist nur die Zahl derer, die festgenommen wurden.

Calais gehörte über zweihundert Jahre zu Großbritannien; in der Vergangenheit hätten Asylsuchende ihr Ziel also einfach erreicht, indem sie hier angekommen wären. Von 1347, als Edward III. von England Calais nach der Schlacht bei Crécy annektierte, bis 1558, als die Franzosen unter Henry II. es zurückgewannen, war Calais ein wichtiger englischer Hafen. Auf dem Höhepunkt stammten angeblich ein Drittel der Einnahmen der englischen Regierung aus Zöllen des Hafens, wobei der Handel mit Wolle die bedeutendste Einkommensquelle war. Zu der Zeit war Calais als »hellster Juwel in der englischen Krone« bekannt. Es war auch ein offizieller Parlamentsbezirk. Der allen Kindern in England bekannte Dick Whittington war eine Zeit lang Bürgermeister von Calais (1407, als er ebenfalls Bürgermeister von London war). Zum Verlust des Hafens gibt es die berühmten Worte Mary Tudors: »Wenn ich tot bin und geöffnet werde, wird man Calais in meinem Herzen finden.«

Eine wichtige Rolle spielte der Hafen im Zweiten Weltkrieg. Während der Belagerung von Calais im Mai 1940 hielten mehr als 3000 britische Soldaten neben 800 französischen sechs Tage deutschem Sperrfeuer stand. Dieser tapfere Widerstand lenkte die Nazi-Divisionen von Dünkirchen ab und trug zum Gelingen der Evakuierung bei.

Julius Caesar segelte von Calais aus nach Britannien. Napoleon erwog, von Calais aus in England einzufallen. In Calais war viel los.

Première Classe im Wolkenbruch

ANKUNFT IN CALAIS

Vom Fährhafen zum Stadtzentrum von Calais sind es fünf Kilometer zu laufen, entlang einer langen unbenannten Straße, gesäumt von Lagerhäusern und weiteren hohen Zäunen mit Stacheldraht. Ich bin der einzige Passagier, der diesen Weg in die Stadt gewählt hat. Die anderen Fußgänger haben anscheinend Taxen oder Busse genommen. Vielleicht weil es schüttet. Ich habe meinen Pac-a-Mac-Regenmantel angezogen – sehe aus wie ein wahrer Eisenbahnfan – und patsche durch Pfützen einer Straße folgend, die zum zentralen Kirchturm führt, wie ich annehme, der, den ich vom Wasser aus gesehen hatte.

In diesem tropfnassen Zustand steuere ich das Hotel Première Classe Calais Centre-Gare an, direkt gegenüber dem Bahnhof der Stadt. Ich werde während der Reise immer so nah wie möglich an Bahnhöfen übernachten, um die Weiterfahrt am nächsten Tag so bequem wie möglich zu machen. Ich habe auch beschlossen, billig zu übernachten, wenn auch nicht spottbillig. Mein Budget beträgt 40 bis 50 Euro pro Nacht. Das Première Classe Calais Centre-Gare erfüllt alle Kriterien.

Nach einer Kurve führt die lange Straße schließlich auf die »Kirche« zu. Nach einem Sexshop, der »Gadgets und Filme« anbietet, gelange ich zu dem Gebäude und stelle fest, dass es kein Gotteshaus ist. Es i