: Karoline Toso
: DASDA Geschichten und Gedichte
: BC Publications
: 9783941717442
: 1
: CHF 6.20
:
: Erzählende Literatur
: German
: 260
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Eine Krähe philosophiert über stumpfe Zweibeiner, die Prinzessin trifft den Wassermann, das Gänseblümchen erfährt den Kreislauf des Lebens. Das ist die märchenhafte Seite dieser außergewöhnlichen Sammlung von Geschichten von Karoline Toso. Aber nicht weniger märchenhaft ist die sogenannte Realität der Geschichten; ein betagter Ordenspriester erfährt den Wert der Sinnlichkeit, Erotik lebt auch nach langen Ehejahren, oder der Einzelgänger findet Gott in einer Erbse. Und jede der Geschichten bekommt ihr Echo in der Poesie. Eine Schatzkiste, gefüllt mit verschiedenen Preziosen der Literatur. Lassen Sie sich verzaubern.

Die Österreicherin Karoline Toso wurde 1960 in der Steiermark geboren. Sie wuchs auf dem Land auf und machte Fortbildungen im sozialen und kirchlichen Bereich. Ende der siebziger Jahre lebte sie ein Jahr lang in Paris und besuchte dort eine Sprachschule. Als Ordensmitglied der Trinitarierinnen besuchte sie später auch Sprach- und theologische Kurse in Valencia und Madrid. Es folgten Ausbildungen zur Pastoralassistentin und Religionspädagogin. Nachdem Karoline Toso den Orden verlassen hatte, heiratete sie, ließ sich nach vier Ehejahren jedoch wieder scheiden. Sie ist Mutter eines Sohnes. Die Schriftstellerei war seit früher Jugend ihre größte Leidenschaft. In Spanien begann sie auch Lyrik zu schreiben. Kurzgeschichten und Gedichte wurden in verschiedenen Verlagen veröffentlicht, auch im Rahmen von Anthologien. Die Autorin lebt heute als Religionspädagogin in Wien.

Ein duftiger Strauß


Marianne saß schmollend in der Frühmesse. Eigentlich war es ja nicht ihre Art, an einem Wochentag in die Kirche zu gehen. Nicht einmal sonntags besuchte sie regelmäßig die Messe. Zwar war sie religiös, hatte auch die beiden Kinder im Glauben erzogen und freute sich darüber, diese spirituelle Seite mit ihrem Mann Herbert teilen und austauschen zu können, doch einen Schwerpunkt ihres Lebens stellte die Religion nicht gerade dar. Für ihren Geschmack war Herbert zwar mehr bigott als religiös, doch in den siebzehn Ehejahren hatten sich einige Kanten und Verschiedenheiten abgeschliffen und im Grunde war die Beziehung gemütlich bis harmonisch. Es plätscherte dahin sozusagen, keine Höhen, keine Tiefen. Gespräche handelten von den Kindern und deren Ausbildung, von der Renovierung des Badezimmers oder von Familienbesuchen, vor allem dem Kontakt zu den Großeltern der Kinder.

An diesem Morgen jedoch verließ Marianne fluchtartig die Wohnung, noch bevor sie das Frühstück fertig vorbereitet hatte. Sollte sich doch Herbert um das Pausenbrot der Kinder Moritz und Helene kümmern! Außerdem waren beide dazu längst selbst in der Lage mit ihren vierzehn und sechzehn Jahren! Sonderbar eigentlich, dass sie so heftig reagiert hatte. Zwar war sie recht temperamentvoll, aber Herbert in seiner gelassenen, ruhigen Art, bot ihr meist keinen Grund zu Gefühlsausbrüchen.

In ihr schlummerte wohl aufgestauter Groll, den er mit seiner Bemerkung zum Ausbruch gebracht hatte. Ihr enormer Ärger konnte vielleicht damit erklärt werden, dass sie sich eines solchen Grolls nicht wirklich bewusst gewesen war. Auf ihren Vorschlag nämlich, gemeinsam einen Tanzkurs zu besuchen, hatte Herbert gemeint, dass sie lieber einen EDV-Kurs oder Sprachkurs belegen sollte oder noch besser, dass sie die Eltern oder Schwiegereltern öfter besuchen könne, anstatt einen, seiner Meinung nach, unnötigen Tanzkurs zu absolvieren. Er jedenfalls habe kein Interesse daran, sie dorthin zu begleiten.

Ein Wort gab das andere und Marianne erkannte schlagartig, wie wenig Verständnis Herbert für das Schöne des Lebens, für dessen Sinnlichkeit und zweckfreie Fülle aufbrachte. Offenbar lag ihm auch nichts an der Freude, gemeinsam zu tanzen. Eigentlich zählte für ihn nur das Pragmatische. Spaß und Spiel waren in seinen Augen nur unnützer Tand. Dass Herbert im Laufe der Jahre immer großzügig, hilfsbereit und geduldig gewesen war, dass er Marianne eigentlich alle Entscheidungen vertrauensvoll überlassen und sich kaum in ihre liberale Erziehung der Kinder eingemischt hatte, obwohl er selbst mehr Religiosität und Disziplin bevorzugt hätte, zählte in diesem Augenblick nicht. Marianne glaubte auf einmal, in Herberts Gegenwart zu ersticken. Sie wollte nur noch weg, weg, weg.

Auf der Straße atmete sie zweimal tief durch und sehnte sich danach, allein zu sein, einen klaren Kopf zu bekommen. Frühstücken in einem Café eignete sich dafür überhaupt nicht. Eine Stunde zu früh in der Arbeit zu sein und dort einen Kaffee zu trinken, kam nicht in Frage. Sie würde dort Kolleginnen treffen und vorbei wäre es mit der Stille und dem klaren Kopf. Da läuteten die Glocken ihrer Pfarrkirche. Kurzerhand setzte sie sich zu den Wenigen, die in die Frühmesse wollten. Schon nach wenigen Augenblicken fühlte sich Marianne besser. Der zarte Duft nach Weihrauch und Kerzen, die festliche Größe dieses neugotischen Kirchenraumes, das stille Gebet der anderen, all das umfing sie und ließ etwas Frieden