Wenn man Menschen fragt, wie viele Jüd*innen in Wien leben, bekommt man teils kuriose Antworten. 50.000, 100.000 und sogar eine halbe Million habe ich da schon gehört, als ich zum Beispiel bei einem Workshop zu jüdischem Leben in Wien Jugendlichen diese Frage gestellt habe. Wie das zu erklären ist? Es gibt mittlerweile ein großes mediales Interesse an Jüd*innen und dem Judentum. Es wird nicht mehr nur über Schoa und Verfolgung und NS-Gräuel berichtet, immer öfter ist in den heimischen Medien auch über jüdische Feiertage, Kulturveranstaltungen oder die Wahl des Vorstands der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Wien zu lesen, zu hören und zu sehen.
Wie viele Wiener Jüd*innen gibt es aber nun tatsächlich? Exakt ist diese Frage leider nicht zu beantworten. Im Juli 2020 zählte die Israelitische Kultusgemeinde Wien 7.735 Mitglieder. Wer Jude oder Jüdin ist, das ist in der Halacha, dem jüdischen Recht, so definiert: Jüdisch ist, wer von einer jüdischen Mutter geboren wurde oder zum Judentum übergetreten ist. Man kann also auch jüdisch sein, ohne der Kultusgemeinde als Mitglied anzugehören. Der im Juni 2020 vom Institute for Jewish Policy Research veröffentlichte Bericht „Jews in Austria“3 spricht von rund 10.000 Jüd*innen in ganz Österreich (das Gros davon in Wien lebend) – andere Schätzungen gehen von ungefähr 15.000 Jüd*innen aus. Nicht jede/r lebt observant, es gibt auch Menschen, die ihr Judentum nicht religiös, sondern über ihre Herkunft p