Einleitung – Leben und Taten des Obersten Lawrence
Als das britische Weltreich geschaffen oder besser aus zufälligen, der Gunst des geschichtlichen Augenblicks zu dankenden Eroberungen entstanden war, fehlte zuletzt noch ein wichtiges Verbindungsglied, das die in sämtlichen Erdteilen verstreuten Stücke zusammenschloß. Zwar besaß oder beherrschte man den durch Suezkanal und Rotes Meer führenden Seeweg nach Indien und den fernasiatischen Besitzungen, doch war es eben nur die eine, durch einzelne Stützpunkte gesicherte Wasserstraße, und zweitens blieb sie gerade an ihrer empfindlichsten Stelle ständig bedroht, solange die Gebiete nördlich des schmalen, von Kanal und Rotem Meer gebildeten Durchlasses in fremden Händen waren. Diese fast ganz von Arabern bewohnten Länder: Palästina, Syrien, Mesopotamien und die arabische Halbinsel, gehörten seit vielen Jahrhunderten zum Osmanischen Reich, einem überalterten und in der bestehenden Form kaum mehr lebensfähigen Gebilde. Die britische Regierung hat von jeher die in der Politik so wichtige Kunst des Abwartens verstanden. Sie sah dem langsamen Absterben des »kranken Mannes am Bosporus« ruhig zu und sorgte nur dafür, daß ihr selbst keine Zukunftsmöglichkeiten abgedrosselt würden. So ließ England die unter deutscher Leitung in Bau begriffene Bagdadbahn, die vom Bosporus zum Persischen Golf führen sollte, gewissermaßen in einer Sackgasse endigen und nahm das letzte und wichtigste Stück von Bagdad bis Basra unter eigene Kontrolle. Denn der sichere Besitz des Persischen Golfs mit dem Ausgang zum Indischen Ozean war eine der Voraussetzungen für die weit ausgreifenden Pläne Großbritanniens.
Mit der jungtürkischen Revolution und ihren Folgen – weitere bedeutende Gebietsverluste und die Balkankriege von 1912 und 1913 – trat eine akute Krise ein. Die überstürzten Versuche,sich durch Reformen in zwölfter Stunde den Daseinsbedingungen der Zeit anzupassen, führten nur zu einer weiteren Lockerung der an sich schon längst brüchigen, das weite Reich kaum mehr zusammenhaltenden Klammern. Sobald die Jungtürken die von Europa übernommene Nationalidee für das eigene Volk in Anspruch nahmen und als Kampfruf auf ihre Fahne schrieben, wurde der gleiche Gedanke auch von den nichttürkischen Völkerschaften des Reichs aufgegriffen und auch von ihnen zur Forderung erhoben. Das galt besonders von den Arabern, die als ein altes Kulturvolk mit großer Vergangenheit die wenn auch nur lässige Oberherrschaft der aus Asien eingewanderten Türken stets unwillig ertragen hatten. Die neuen, von Konstantinopel ausgehenden Türkisierungsbestrebungen weckten nun aber erst