: Elisa Diallo
: Französisch verlernen Mein Weg nach Deutschland
: Berenberg Verlag GmbH
: 9783949203008
: 1
: CHF 9.70
:
: Essays, Feuilleton, Literaturkritik, Interviews
: German
: 160
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Wenn es anfängt, weh zu tun, muss man etwas unternehmen: Das fand auch Elisa Diallo, Tochter einer französischen Mutter und eines guineischen Vaters. Aufgewachsen in Frankreich, empörte sie sich zunehmend über die Hartnäckigkeit, mit der die Grande Nation ihren Staatsbürgerinnen und -bürgern mit Migrationshintergrund immer wieder zu verstehen gab, sie gehörten zwar dazu - aber eben doch nicht ganz. Heute lebt Elisa Diallo in Mannheim, besitzt die deutsche Staatsbürgerschaft und arbeitet in Frankfurt. Wie es zu diesem für eine Französin immer noch radikalem Schritt kam, das erzählt und erklärt sie in diesem wichtigen persönlichen Zeugnis in Zeiten, in denen die Frage 'Woher kommst du und wer bist du?' so wichtig und unwichtig wie nie ist.

Elisa Diallo wurde 1976 in Paris geboren. Ihr ­Vater stammte aus Guinea-Conakry, ihre Mutter aus Frankreich. Sie studierte Geschichtswissenschaft in Paris, anschließend Niederlandistik und Literatur­wissenschaft in den Niederlanden. Nach der Promotion über französischsprachige postkoloniale Literatur zog sie 2009 nach Deutschland, wo sie ­seither in der Verlagsbranche tätig ist.

Ausgangspunkt


Im Juni 2017 wurde ich Deutsche. Ich habe mich zu diesem Schritt entschlossen, weil sich die Möglichkeit ergab, und weil es vergleichsweise einfach war. Seit acht Jahren lebte ich in Deutschland, und ich fühlte mich als Europäerin. Ich hätte es Jahre früher tun können, oder woanders, Niederländerin in Holland werden, wo ich zuvor mehr als elf Jahre gelebt hatte. Bis dahin hatte ich nie das Bedürfnis verspürt, und vor allem war ich mir sicher, ich könnte nie eine andere Nationalität annehmen, indem ich die meiner Geburt ablegte. Ich zahle meine Steuern in Deutschland, eigentlich sollte ich auch in diesem Land wählen können, sagte ich mir oft. Wenn man mir jedoch antwortete: »Du brauchst nur die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen«, erwiderte ich: »Unmöglich. Meinen französischen Pass abgeben? Kommt nicht in Frage.« Punkt aus. Warum »kommt nicht in Frage«? Weil ich mich Frankreich verbunden fühlte, meinem Geburtsland, in dem ich aufgewachsen war, das mich geprägt hatte. Die Tatsache, keinen französischen Pass zu besitzen, hätte allerdings nichts an dieser Verbundenheit geändert, ich würde weder meine französischen Erinnerungen verlieren noch die Kultur meiner Herkunft. Alles, was ich gelernt hatte, gehört, rezitiert, gesungen, die Musik, zu der ich getanzt hatte, alles, was mich zum Lachen gebracht oder mich aufgewühlt hatte, all meine Prägungen und die Menschen, mit denen ich sie teilte, und vor allem, ja vor allem die Sprache, meine Sprache, zu der ich vom ersten Moment an ein inniges, symbiotisches Verhältnis hatte, alles, was ich gelesen und geschrieben hatte: all das hatte nichts mit einem Pass zu tu