: Michael Krüger
: Meteorologie des Herzens Über meinen Großvater, Zbigniew Herbert, Petrarca und mich
: Berenberg Verlag GmbH
: 9783946334996
: 1
: CHF 13.90
:
: Essays, Feuilleton, Literaturkritik, Interviews
: German
: 144
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Dass die Auseinandersetzung mit dem eigenen Leben auch in der Rückschau eine immer noch jugendlich bewegte Tätigkeit sein kann, lässt sich hier nachlesen: in einem Gedicht, einem Gespräch und in zwei Erinnerungen an die Literatur. Autobiografie ist bei Michael Krügers Selbstporträt mit Dichtern auch da präsent, wo die Erinnerung be­wunderten Kollegen wie dem polnischen ­Dichter Zbigniew Herbert gilt oder jenen Autoren und Freunden, mit denen er in den 70er Jahren den Petrarca-Preis begründete. Der Lyriker Krüger ist ein Freund und Orchestrator naturbelassener Einsamkeit. Zugleich hat er stets die geistige Weite und das Sprachgewirr der internationalen Literatur unserer Zeit gesucht. Hier sieht man, wie Behutsamkeit und Zurückhaltung, Anspruch und Selbstbewusstsein ein Leben für die Literatur geprägt haben.

Michael Krüger, geboren 1943, lebt in München. Er leitete viele Jahre lang den Carl Hanser Verlag und war Präsident der Bayerischen Akademie der Schönen Künste. Er hat mehrere Gedichtbände, Erzählungen, Novellen, Romane und Übersetzungen veröffentlicht. Für sein schriftstellerisches Werk erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, für seine Verdienste um die Kultur 2014 das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse.

Es gibt noch eine andere Welt
Gespräch mit Matthias Bormuth


MATTHIAS BORMUTH:Herr Krüger, Sie haben einmal von sich gesagt: »Ich bin ein Schriftsteller, der einfachen Verhältnissen entstammt und das Verlegen der Bücher auch als Handwerk betrachtet.« Diese Selbstbeschreibung verdankt sich nicht zuletzt den ersten Lebensjahren, die Sie bei Ihren Großeltern verbrachten.

MICHAEL KRÜGER: Das Bestellen eines Ackers und die Leitung eines Verlages haben vieles gemeinsam. Auch der Bauer träumt natürlich davon, zweimal im Jahr ernten zu dürfen, im Frühling und im Herbst. Mein Großvater mütterlicherseits war Landwirt, der in der Nähe von Zeitz einen größeren Hof, ein Rittergut, bewirtschaftete. Dort kam ich im Dezember 1943 zur Welt. Mein Vater, damals Postbeamter im besetzten Polen, meinte ohne jede Illusion: »Irgendwann wird Berlin bombardiert, so dass das Kind auf dem Land erst einmal gut aufgehoben ist.« Die drei älteren Geschwister blieben in der Stadt.

MBWie verlief Ihr Leben mit den Großeltern?

MK Als sich die Amerikaner bald nach Kriegsende aus Sachsen zurückzogen, wurde der Großvater von heute auf morgen von der nun russischen Besatzung ohne Gerichtsurteil enteignet und erhielt eine Dachkammer als letztes Refugium. Er konnte von Glück sagen, dass er nicht erschossen wurde! Im Zusammenleben habe ich, ohne es wirklich begreifen zu können, erstmals gespürt, dass ein Mensch regelrecht schrumpft, wenn man ihm seinen Lebens- und Gestaltungsraum nimmt.

MBWas passierte mit dem Hof?

MK Das Gut verfiel, weil der neue Verwalter ohne Kenntnisse war, die man für die Bearbeitung der relativ