1. KAPITEL
Wer Lady Francesca Haughston dabei beobachtet hätte, wie sie sich durch den Ballsaal der Whittingtons bewegte, der wäre nicht auf den Gedanken gekommen, dass sie im Begriff war, den Eröffnungszug ihres jüngsten Plans zu machen. Sie schlenderte auf ihre übliche Weise umher, blieb hier stehen, um lobende Worte über ein Kleid zu verlieren, hielt dort an, um mit einem ihrer vielen Bewunderer zu flirten. Sie lächelte und unterhielt sich, dabei bewegte sie mit raschen Bewegungen ihren Fächer. Ihr Kleid war ein Traum aus eisblauer Seide, ihr blondes Haar hatte sie zu einem Knoten hochgebunden, sodass die Locken einem Wasserfall gleich über ihren Rücken fielen. Sie wusste, dass sie eine begehrenswerte Erscheinung war, in diesem Augenblick hatte das jedoch keine Bedeutung. Ihre dunkelblauen Augen hielten Ausschau nach ihrer Beute.
Fast einen Monat war es nun her, seit sie sich geschworen hatte, für den Duke of Rochford eine Frau zu finden, und heute Abend beabsichtigte sie, ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen. Sämtliche Vorbereitungen waren getroffen, was auch bedeutete, dass sie sich eingehend mit allen jungen ledigen Frauen der Gesellschaft beschäftigt hatte. Sorgfältige Nachforschungen und Beobachtungen hatten dazu geführt, dass die Liste der Namen mit den infrage kommenden Heiratskandidatinnen zusehends zusammenschrumpfte. Am Ende waren drei übrig geblieben, von denen ihrer Meinung nach jede gut zu Sinclair passte.
Diese drei jungen Damen würden heute Abend anwesend sein, davon war sie überzeugt. Der Ball bei den Whittingtons war einer der Höhepunkte der Saison, und jede Dame im heiratsfähigen Alter würde sich ihn niemals entgehen lassen, außer sie wurde durch Krankheit daran gehindert. Vor allem aber standen die Chancen gut, dass auch der Duke den Ball besuchte. Für Francesca bedeutete dies, endlich ihr Vorhaben in Angriff nehmen zu können. Dieser Schritt war längst fällig – sogar überfällig –, das wusste sie nur zu gut. Kaum drei Wochen hatte sie gebraucht, bis sie die Auswahl der möglichen Bräute für Rochford getroffen hatte. Schließlich kam ohnehin nur ein enger Kreis von Mädchen als zukünftige Duchess infrage.
Doch ihr Vorhaben hatte ihr Kraft abverlangt, denn aus einem unerfindlichen Grund heraus hatte sie nach Callies Hochzeit einen merkwürdigen Widerwillen gegen gesellschaftliche Ereignisse entwickelt. Es langweilte sie, Besucher zu empfangen oder Einladungen zu Festen und Theaterbesuchen anzunehmen. Sogar ihrem guten Freund Sir Lucien war aufgefallen, dass sie plötzlich nicht mehr das Haus verlassen wollte. Die Ursache dafür war ihr selbst nicht klar. Sie wusste nur, dass ihr von einem Tag auf den anderen alles fade und bedeutungslos erschienen war, nicht der Mühe wert, sich aufzuraffen und unter Menschen zu begeben. Tatsächlich hatte sie sich sogar ein wenig trübsinnig gefühlt, was ihrer Meinung nach nur daran liegen konnte, dass Callie nun verheiratet war. Bis dahin hatte sie bei Francesca gewohnt, während sie gemeinsam auf die Suche nach einem geeigneten Ehemann für Sinclair Rochfords Schwester gegangen waren. Ohne Callies fröhliche Stimme und ihr strahlendes Lächeln war Francescas Haus einfach zu leer und einsam.
Doch sie hatte sich geschworen, wiedergutzumachen, was sie Callies Bruder vor fünfzehn langen Jahren angetan hatte. Natürlich war es unmöglich, das Geschehene rückgängig zu machen, aber sie konnte zumindest dem Duke den Gefallen tun, für ihn nach einer geeigneten Braut zu suchen. Schließlich war das ihre besondere Stärke. Also war sie zu diesem Ball gekommen, um endlich nach einer Ehefrau für Sinclair Ausschau zu halten.
Sie schlenderte weiter am Rand des prunkvollen Ballsaals entlang, der ganz in Weiß und Gold gehalten war. Das Parkett wies die Farbe von Honig auf, beleuchtet wurde der Saal von drei funkelnden Kristallleuchtern, während etliche dicke Kerzen aus Bienenwachs auf goldenen Haltern für zusätzliche Helligkeit sorgten. Gedämpft wurde das Licht von tiefroten Rosen und Päonien, die überall an den Wänden in großen Vasen herumstanden und sich am Geländer der prachtvollen Treppe in den ersten Stock hinaufwanden.
Es war ein eleganter Saal, den man ebenso in einem Palast hätte vorfinden können, und Gerüchten zufolge war es einzig dieser grandiose Raum, der Lady Whittington an dem riesigen, antiquierten Herrenhaus festhalten ließ, obwohl sie durch dessen Lage – es lag außerha