II.
Amarantha
Prinzessin Amarantha trug ein weißes Kleid, welches sie noch bleicher aussehen ließ, als sie es ohnehin von Geburt an war. Ihre feuerroten Haare, ihre leuchtenden honiggelben Augen und die Heerschar an hellbraunen Sommersprossen auf ihrer Nase, Wangen und Schultern waren die einzigen Farben an ihr.
Ihr zukünftiger Gatte würde sie für ein Gespenst halten!
Dieser Gedanke brachte ihren weißen Wangen zumindest ein wenig Röte.
In ein paar Tagen würde Amarantha verheiratet sein. Sie würde bald eine Ehefrau und damit die rechtmäßige Königin von Yevel sein. Mit zarten 16 Jahren würde ihr Mann den Thron besteigen.
Ihr Herz wütete wie ein wildes Tier in ihrer Brust, als wären ihre Rippen nur ein Käfig.
Es ist nur die Vorfreude, versuchte sie sich einzureden. Schließlich würde sie bald ihrem Prinzen begegnen und mit ihm bis an ihr Lebensende zusammenleben.
Sie schluckte schwer. Bis an ihr Lebensende – außer sie verstarb wie ihre Mutter bei der Geburt der nächsten Prinzessin oder des Thronfolgers.
Auf einmal fühlte sich Amarantha gar nicht mehr gut. Ihre Knie hatten sich scheinbar in Grießbrei verwandelt und sie lief Gefahr, einfach umzufallen.
Das bemerkte auch ihre Zofe Chrysantha. Das fünf Jahre ältere Dienstmädchen, welches gerade Amaranthas eingenähtes Korsett schnürte, zwickte die Prinzessin in die Seite.
Amarantha unterdrückte einen Schmerzensschrei. Sie war es gewohnt, dass Chrysantha grob zu ihr war. Ihr Vater sagte, dass das nur ihren Charakter stärken würde. Allerdings fühlte sich ihr Wesen gleich an, während ihr Körper einige blaue Flecken aufwies. Auch diese ›Charakterstärkung‹ würde sie wieder einige Tage auf ihrer Haut tragen.
»Halt still«, sagte Chrysantha mit kalter Stimme.
Sie zog noch stärker an den Bändern und raubte Amarantha die Luft zum Atmen. Ihr zukünftiger Mann musste sie vor dem Drachen noch vor dieser unglaublichen einengenden Korsett-Schnürung retten. Sonst gab es niemanden zum Heiraten mehr, weil sie bis dahin sicherlich dem Erstickungstod erlegen war.
Nachdem die Zofe ihr unmenschliches Werk an ihr vollendet hatte, begutachtete sie ihre Prinzessin noch mal von allen Seiten. Eigentlich rechnete Amarantha fest damit, dass Chrysantha zufrieden sein würde. Sie trug ein wunderschönes bodenlanges weißes Kleid mit winzigen glitzernden Diamanten. Es sah fast so aus, als hätten die Schneider Amarantha mit frischem Schnee eingekleidet. Von dem einengenden Korsett abgesehen, mochte sie, wie der teure Stoff ihrem Körper schmeichelte.
Amarantha konnte sich hier – in ihrem Zimmer – in drei mannsgroßen Spiegeln von allen Seiten betrachten: Das Gewand betonte ihren schlanken Körper, der sich weder durch breite Hüften noch einen üppigen Vorbau auszeichnete. Der mehrlagige Rock ließ ihr Becken breiter erscheinen. Das Mieder entblößte nicht nur ihre mit Sommersprossen besprenkelten Schultern, sondern zeigte auch Dekolleté.
»Damit dein Zukünftiger auch weiß, dass du wirklich eine Frau bist«, hatte Chrysantha sie sofort gepiesackt. »Es wäre eine Schmach für das gesamte Königreich, wenn der Ritter dich nicht zu seiner Braut macht. Obwohl … Die Krone von Yevel dürfte ohnehin Anreiz genug sein.«
Das wunderschöne Kleid, das der jungen Prinzessin so viel Freude bereitete, ließ Chrysantha einfach kalt. Sie schnalzte nur missbilligend mit der Zunge. »Wie blass du immer bist! Wir brauchen Puder für deine Wangen. Sonst erschrickt sich der Prinz noch an deinem Aussehen!«
Der Prinz. Der Prinz. Der Prinz. Warum ging es eigentlich immer nur darum, was ihm gefallen würde?, erlaubte sie sich einen selbstbezogen