Erstes Kapitel, in dem geheiratet wird … oder doch nicht?
Rund zwei Monate zuvor
»Ist er noch da?«, fragte Steph und zupfte nervös an ihrem Schleier.
»Ja, natürlich ist er noch da«, antwortete Nathalie in einem betont besänftigenden Tonfall, auch wenn es sie ehrlich gesagt ein wenig nervte, dass Steph alle paar Minuten diese Frage stellte. Aber das hier war ihr großer Tag, und da hatte sie jedes Recht, besorgt zu sein, ob auch alles klappen würde.
Sie und Ronald hatten kurzfristig beschlossen, diesen Termin Anfang März wahrzunehmen, der zuvor vom bisherigen Gerichtsmediziner Jean-Louis Talradja und dessen Freundin, der Künstlerin Belle Starr, als Hochzeitstermin vorgesehen gewesen war. Nachdem die beiden aber kurz entschlossen ihr Leben im beschaulichen Earlsraven gegen Rollen in einer um die ganze Welt reisenden Produktion vonCats eingetauscht hatten und vorläufig nicht hierher zurückkehren würden, hatte Ronald diese Gelegenheit genutzt und um die Hand seiner Freundin Steph Warren angehalten.
Die Wochen bis dahin waren für Steph eine lange Zitterpartie gewesen, da sie bis zum letzten Augenblick insgeheim fürchtete, irgendein Verbrechen könnte ihnen einen Strich durch die Rechnung machen. Noch am Morgen hatte sie alle ihre Freunde gebeten, möglichst mit Scheuklappen zur Kirche zu gehen, damit sie nichts davon mitbekamen, falls links oder rechts von ihnen eine Leiche liegen sollte. Die Zeremonie sollte nun nichts mehr durchkreuzen.
»Wo soll er denn hingehen?«, erwiderte Louise, Nathalies beste Freundin und außerdem Köchin im Pub Black Feather. »Und wo sollte er denn noch einmal eine so schöne Braut wie dich finden?«
»Wenn er lange genug sucht«, gab Steph zurück, »wird er schon fündig werden. Außerdem hat er den Vorteil, dass er als Constable jede schöne Frau an den Straßenrand winken kann, um sich dann ihre Papiere zeigen zu lassen.«
»Warum sollte er dich dann überhaupt heiraten wollen, wenn er so eine freie Auswahl hat, wie du es meinst?«, hielt Nathalie dagegen. »Solche Gedanken stürzen dich nur völlig unnötig in Panik. Hör auf, dir so was auszumalen.«
Steph nickte und atmete tief durch. »Ja, du hast recht, Nathalie. Ich bin nur so nervös. Eigentlich sollte ich das nicht sein, weil ich das alles schon zweimal durchgemacht habe, aber …«
»Du warst schon zweimal verheiratet?«, fragte Louise verwundert. »Das wusste ich noch gar nicht.«
Erschrocken hielt sich Steph eine Hand vor den Mund. »Oh! Das sollte eigentlich auch keiner erfahren. Außer Ronald natürlich. Könnt ihr das bitte für euch behalten?«
Nathalie und Louise sahen sich kurz an, dann nickten sie gleichzeitig. »Natürlich«, versprachen sie im Chor.
»Danke«, murmelte Steph, blickte zur Wanduhr und schaute sich in dem kleinen Nebenraum der Kirche um, als suchte sie jemanden. »Wo bleibt Father Daniels?«
»Hat jemand mich gerufen?«, ertönte eine älter klingende Stimme, dann betrat Father Daniels durch die zweite Tür den Raum, in dem Nathalie und Louise seit einer Weile damit beschäftigt waren, das Hochzeitskleid wieder in Form zu bringen, nachdem es während der Fahrt in der engen offenen Kutsche erheblich zusammengedrückt worden war.
Ein groß gewachsener alter Mann mit auffallend länglichem Gesicht und strahlendem Lächeln kam auf sie zu. Sein kahler Kopf war von einem schütteren Haarkranz aus ein paar wallenden weißen Strähnen umgeben. Die gleichermaßen schneeweißen Augenbrauen wirkten im Gegensatz dazu noch buschiger, als sie es ohnehin schon waren. Er trug einen schwarzen Anzug, der bei der Größe des Mannes wohl maßgeschneidert sein musste und der die schlaksige Statur unterstrich.
»Stephanie«, begrüßte er sie mit einem Handkuss. »Es freut mich, Sie wiederzusehen. Willkommen in St. Clementine-on-the-Hill!«
»Father Daniels«, erwiderte sie. »Darf ich vorstellen? Nathalie Ames, Louise Cartham, zwei meiner besten Freundinnen.«
Der Geistliche begrüßte sie, dann wandte er sich wieder an Steph. »Wie ich sehe, haben meine Gebete etwas bewirkt.«
Sie sah ihn verständnislos an. »Welche Gebete?«
»Nun, ich habe unserem Herrn mitgeteilt, dass er doch bitte am heutigen Sonntagmorgen alle