Rena
3. August,10.08 Uhr
(7 Tage,13 Stunden und23 Minuten danach)
Im Beichtstuhl ist es dunkel und stickig. Es riecht muffig, nach Holz und so, als hätte jemand eine Ladung nasse Handtücher in der Waschmaschine vergessen.
Auf der anderen Seite des schweren Samtvorhangs findet Joes Beerdigungsgottesdienst statt. Pfarrer Sailes Stimme dringt nur gedämpft bis zu mir in den Beichtstuhl.
Ich schlucke. Mein Mund fühlt sich an, als hätte ich den Vorhang mit der Zunge vom Staub befreit. Ich schlucke erneut. Schmirgelpapier meets Kehle.
Angestrengt ignoriere ich das, was der Pfarrer draußen über Joe zu sagen hat. Und was soll das schon sein? Er kannte ihn überhaupt nicht, und das nicht nur, weil die Deckers erst letzten Winter hergezogen sind.
Am liebsten würde ich mir die Finger in die Ohren stecken und summen, wie ein Kind, das sich vor dem Donner fürchtet. Aber ich bin kein Kind mehr, ich kann die Realität nicht wegsummen. Keine Ahnung, warum ich überhaupt hergekommen bin.
Vereinzeltes Flüstern ist zu hören. Und obwohl ich kein Wort von dem verstehe, was getuschelt wird, weiß ich sehr genau, worüber die da draußen sich das Maul zerreißen. Oder besser gesagt, über wen.
Mich.
Rena Winterstein. Siebzehn Jahre alt. Mörderin.
Sie wissen nicht, dass ich hier drin sitze. Hoffe ich. Ich bin extra eine halbe Stunde früher gekommen. Aber wenn sie es wüssten, wären sie bestimmt zufrieden. Der Beichtstuhl ist genau der richtige Ort, um über meine Sünden nachzudenken.
Und mit denen könntest du die Hölle tapezieren!, schnurrt die Besserwisserin. Seit Kurzem hat sie sich in meinem Kopf eingenistet, thront auf dem Berg aus Lügen, der sich in mir angestaut hat. Um gnadenlos genau die Dinge zu kommentieren, die ich versuche, in der hintersten Ecke zu verstecken. Wegzuschließen. Dumm nur, dass die Besserwisserin einen Generalschlüssel hat. Nichts ist sicher vor ihr. Sie ist wie ein sprechender Spiegel, der einem nur die hässlichen Dinge entgegenschreit. Die Dinge, die sonst keiner sehen kann.
Orgelmusik setzt ein. Drama pur. Die dunklen Holzwände rücken näher, drohen, mich zu zerquetschen. Mir ist heiß. Der Schweiß läuft zwischen meinen Schulterblättern runter, das Atmen fällt mir zunehmend schwerer, und die Luft ist zähflüssig wie Sirup.
Durch einen schmalen Spalt zwischen Vorhang und Beichtstuhl kann ich die vorderste Kirchenbank sehen. Dort sitzen Joes Eltern, sein bester Kumpel Aaron, sein Bruder Pascal und … Olivia. Ausgerechnet. Sogar nach Joes Tod kann sie es nicht lassen. Hat sie nicht begriffen, dass es nichts mehr zu holen gibt? Jeder konnte sehen, dass sie ein Auge auf Joe geworfen hatte.
Und du hast sie deutlich spüren lassen, was du davon hältst!
Joes Mutter dreht sich ruckartig zu mir um, als hätte sie die Besserwisserin gehört. Mein Herzschlag setzt aus, nur um dann mit doppelter Geschwindigkeit weiterzurasen. Ihr Blick ist so kalt. Kann sie mich sehen? Ich fühle mich, als