An dem kleinen See zwischen Gut Schoeneich und dem Kinderheim Sophienlust hielt ein Wagen. Eine junge Frau stieg aus. Es war ihr anzusehen, dass sie ein Kind erwartete. Sie neigte sich zu dem heruntergekurbelten Fenster des Wagens. »Lass dir Zeit, Hans-Joachim. Ich will einen langen Spaziergang am See machen.«
»Muss das wirklich sein, Andrea?«, erklang vom Fahrersitz eine Männerstimme. Der junge Tierarzt Dr. Hans-Joachim von Lehn machte ein bedenkliches Gesicht. »Du weißt, wie ungern ich dich allein lasse. Außerdem hattest du mir versprochen, mich auf die Bauernhöfe zu begleiten. Auf einmal ist dir etwas anderes eingefallen.«
Die hübsche junge Andrea lachte. »Ja, werdende Mütter sollen launisch sein, Hans-Joachim. Das musste ich dir eben auch einmal beweisen.« Ihr Gesicht wurde wieder ernst. »Nein, so ist es nicht. Ich bleibe einfach lieber hier am See, statt im Wagen über die Feldwege zu deinen Bauern zu hoppeln. Dort hast du ja doch keine Zeit für mich, und nur im Kuh- oder Pferdestall zu stehen, macht mir heute keinen Spaß. Schau doch, welch herrliches Wetter wir haben. Ich wundere mich nur, dass niemand von Sophienlust am See ist.«
»Es wäre mir auch lieber, wenn du Gesellschaft hättest, Andrea.«
»Aber mir nicht. Heute nicht. Ich freue mich auf das Alleinsein. Ich war in den letzten Tagen sehr oft in Sophienlust. Immer war dort großer Trubel. So gern ich die Kinder habe, jetzt werden sie mir doch schon manchmal zu viel.« Andrea warf ihrem Mann im Wagen eine Kusshand zu. »Also, sieh zu, dass du einem Kälbchen oder einem Fohlen auf die Welt verhilfst. Darüber freust du dich doch immer am meisten.«
Hans-Joachim seufzte. »Lieber würde ich mit dir hier spazieren gehen. Geh nicht zu nahe an das Wasser heran, Andrea, damit du nicht abrutschst.«
Die junge Frau lachte. »Ich kenne doch hier jede Stelle, Hans-Joachim. Hier tobte ich schon zu einer Zeit herum, da kannte ich dich noch gar nicht.«
»Ja, das mag stimmen. Aber heute kannst du nicht mehr toben, mein Schatz.«
»Freust du dich darüber vielleicht auch noch? Im nächsten Jahr bin ich wieder mit von der Partie. Das habe ich Nick, Henrik und den Großen von Sophienlust schon versprochen.«
»Wirst du mit dem Baby auf dem Arm mit den anderen um die Wette laufen, Andrea? Ja, ich glaube, du würdest auch das noch fertigbringen. Aber jetzt muss ich fahren. Ich rechne damit, dass ich in einer halben Stunde wieder hier bin. Ich werde laut hupen, falls ich dich nicht gleich entdecke. Bis dann, Andrea.«
»Bis dann, Hans-Joachim.« Andrea winkte ihrem Mann noch, dann ging sie langsam am Seeufer entlang. Schon nach wenigen Minuten schrak sie zusammen. Im Ried hinter ihr raschelte es. Keuchender Atem war zu hören, und jetzt tauchte ein Dackel auf.
»Waldi, du bist es? Mir so einen Schrecken einzujagen!« Andrea beugte sich zu dem Langhaardackel hinab und streichelte sein glänzendes sattbraunes Fell. »Dein Herrchen hat dich also aus dem Wagen gelassen und zu mir geschickt. Ich hätte mir denken können, dass ihm noch etwas einfallen würde. Also, meinetwegen, begleite mich. Aber vielleicht wird es dir hier bald zu langweilig. Auf einem Bauernhof hätte es dir sicher besser gefallen. Solche Besuche sind doch für dich immer sehr interessant.«
Andrea richtete sich auf, und Waldi drückte sich an ihre Beine. Die junge Frau kannte sein Liebesbedürfnis. Noch einmal bückte sie sich und tätschelte ihn. »Ja, ja, du bist der Kleinste, aber auch der Tüchtigste. Möchtest du das wieder einmal bestätigt haben?«
Waldi bellte freudig. Er lief ein Stück von Andrea weg und kam wieder zu ihr zurück. Die junge Frau wusste, warum er so übermütig war. Oft nahm sie ihre Dogge Severin auf ihre Spaziergänge mit. Das machte Waldi stets sehr eifersüchtig. Kein Wunder, wenn ihm ausgerechnet ein solches Ungetüm den Rang ablief. Auch im Tierheim hatte Waldi Schwierigkeiten. Zwar trug es seinen Namen, und Waldi galt als der Chef, aber seine kurzen krummen Beine brachten ihm doch gegenüber der Dogge, dem Bernhardiner und anderen großen Hunden manchen Nachteil ein. Deshalb musste man ihm ab und zu zeigen, dass ihm die besondere Gunst gehörte.
»Lauf zu, Waldi«, rief Andrea. »Aber ja nicht bis in den Wald.«
Der Dackel legte den Kopf schief, schlenkerte dann mit seinen langen Ohren und preschte durch das Ried.
Andrea ging noch ein Stückchen weiter bis zu einem Findling, der zum Sitzen einl