: Albert Lenz
: Ressourcen fördern Mentalisierungsbasierte Interventionen bei Kindern psychisch kranker Eltern und ihren Familien
: Hogrefe Verlag GmbH& Co. KG
: 9783840930065
: 2
: CHF 22.80
:
: Psychologie
: German
: 244
: Wasserzeichen/DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: PDF
Kinder psychisch kranker Eltern sind häufig mit besonderen familiären und psychosozialen Belastungen konfrontiert. Spezielle Interventionsprogramme und vorbeugende Maßnahmen können gezielt dafür eingesetzt werden, spezifische Schutzfaktoren zu fördern, die die Resilienz der Kinder gegenüber den multiplen Belastungen, die mit einer psychischen Erkrankung der Eltern einhergehen, stärken. Die im Buch vorgestellten mentalisierungsbasierten Interventionen zielen auf die Psychoedukation der Kinder, auf die Aktivierung und Förderung personaler, familiärer und sozialer Ressourcen sowie auf die Stärkung von Bewältigungskompetenzen der Kinder und Eltern ab. Das Buch besteht aus vier Interventionen, denen eine gezielte Familiendiagnostik vorangestellt wird, um eine Basis für die Gestaltung passgenauer Hilfen zu schaffen. Eine alters- und entwicklungsgemäße Aufklärung der Kinder über die elterliche Erkrankung, die ein Verstehen und adäquates Einordnen von Erfahrungen bzw. Beobachtungen ermöglicht, bildet wohl den bedeutsamsten Schutzfaktor für die Kinder. Durch die Förderung kommunikativer Fertigkeiten sollen Voraussetzungen für einen positiven Austausch im familiären Zusammenleben und für einen konstruktiven Weg aus der innerfamiliären Sprachlosigkeit geschaffen werden. Sich konstruktiver mit den Belastungen und Anforderungen, die sich durch das Zusammenleben mit einem psychisch kranken Elternteil ergeben, auseinandersetzen zu lernen, ist das Ziel einer weiteren Intervention. Die Aktivierung und Stärkung sozialer Ressourcen soll die Familien dabei unterstützen, ihr soziales Netzwerk zu mobilisieren. Zahlreiche Arbeitsblätter, die auf der CD-ROM vorliegen, erleichtern die Durchführung der Interventionen.

|28|2  Resilienz – protektive Faktoren und Mechanismen


Kinder psychisch erkrankter Eltern stellen eine besondere Risikogruppe dar. Wachsen Kinder in Familien auf, in denen ein Elternteil oder beide Eltern psychisch erkrankt sind, sind sie in vielfältiger Weise durch die elterliche Erkrankung betroffen und stehen unter erhöhtem Risiko, selbst eine psychische Störung zu entwickeln (vgl.Kapitel 1).

Trotz multipler Belastungen entwickeln aber nicht alle Kinder psychisch erkrankter Eltern psychische Auffälligkeiten und Störungen. Antworten darauf, warum Kinder trotz multipler Belastungen und Risikoerfahrungen nicht selbst erkranken oder die Belastungen ohne langfristige klinisch relevante Störungen überstehen und eine relativ gute Entwicklung nehmen, bieten die Erkenntnisse der Resilienzforschung (Bender& Lösel, 1998;Lenz, 2014). Das Konzept der Resilienz geht über die defizitorientierten Modelle hinaus, die lediglich Erklärungen für psychopathologische Entwicklungen liefern, und macht Aussagen darüber, warum Individuen trotz risikoreicher Bedingungen nicht erkranken, schneller wieder gesunden oder positive Entwicklungen zeigen. Die Analyse günstiger Entwicklungen oder Gesundungsverläufe sind von enormer Bedeutung sowohl für Prävention und als auch für die Behandlung von Problemen bzw. Störungen (O’Dougherty Wright, Masten& Narayan, 2013).

Die Resilienzforschung hat mittlerweile eine Vielzahl an empirischen Ergebnissen vorgelegt, die sowohl von theoretischer als auch anwendungsbezogener Bedeutung sind (O’Dougherty Wright et al., 2013). Die Untersuchung der zugrunde liegenden Prozesse hat die Entwicklung von ressourcenfördernden Interventionen vorangetrieben.

2.1  Der Begriff der Resilienz


Der Begriff der Resilienz leitet sich vom englischen Wort „resilience“ (Spannkraft, Elastizität, Strapazierfähigkeit) ab und bezeichnet allgemein die psychische Robustheit und Widerstandsfähigkeit eines Individuums. Emmy Werner und ihr|29|Team (Werner& Smith, 1982;Werner, 1999) haben erstmalig in einer Längsschnittstudie diese Widerstandsfähigkeit untersucht. Resilienz wird innerhalb des Forschungsfeldes als gute (gesunde) Entwicklung trotz ernsthafter Gefährdungen für die Anpassung oder die Entwicklung verstanden (Reinelt, Schipper& Petermann, 2016). Im Mittelpunkt steht also eine positive Entwicklung unter ungünstigen, widrigen und belastenden Lebensumständen. Resilienz ist als ein hochkomplexes Zusammenspiel aus Merkmalen des Individuums und seiner Lebensumwelt zu verstehen. Folgende Charakteristika zeichnen das Konzept der Resilienz aus:

  • Resilienz ist keine stabile und überdauernde Persönlichkeitseigenschaft, sondern entwickelt sich prozesshaft im zeitlichen Verlauf und in den Interaktionen im sozialen Kontext über Situationen hinweg, die eine Anpassung an aversive Umgebungsbedingungen erfordern (Petermann& Schmidt, 2006).

  • Resilienz zeichnet sich durch ihren relativen Charakter aus. Resilienz bedeutet nicht die Abwesenheit psychischer Störungen, sondern die Fähigkeit, vorhandene Mechanismen zur Bewältigung alterstypischer Entwicklungsaufgaben trotz schwieriger Umstände zu aktivieren (Masten& Powell, 2003). So sind resiliente Kinder keine unverwundbaren, unbesiegbaren „Super-Kids“ oder „Wunderkinder“, die zu jeder Zeit mit allen Belastungen fertig werden.

  • Resilienz impliziert eine gewisse Spannbreite und Variabilität hinsichtlich des Ausprägungsgrades. Menschen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt ihres Lebens resilient sind, können zu einem anderen Zeitpunkt vulnerabel sein. Resilienz ist also kein zeitlich stabiles Konstrukt (Masten, 2014). Phasen erhöhter Vulnerabilität stellen auch sogenannte Entwicklungsübergänge dar. Kinder sind besonders beim Übergang vom Kindergarten in die Schule oder in der Pubertät an

Vorwort und Inhaltsverzeichnis7
1Kinder und ihre psychisch erkrankten Eltern – Überblick über den Stand der Forschung17
1.1Entwicklungsrisiken von Kindern psychisch erkrankter Eltern17
1.2Wege der familiären Transmission psychischer Störungen18
1.2.1Belastungsfaktoren auf der elterlichen Ebene19
1.2.2Familiäre Ebene21
1.2.3Kindebene25
1.2.4Soziale Ebene26
1.3Komplexität der Problemlagen28
2Resilienz – protektive Faktoren und Mechanismen30
2.1Der Begriff der Resilienz30
2.2Resilienz und Schutzfaktoren32
2.3Familiäre Resilienz – System Familie als Schutzfaktor34
2.4Schutzfaktoren bei Kindern psychisch erkrankter Eltern36
2.5Resilienz als ein dynamischer Prozess40
2.5.1Coping – von Schutzfaktoren zu Bewältigungsprozessen41
2.5.2Coping in Familien mit psychisch erkrankten Eltern44
2.6Reflexive Kompetenzen als zugrunde liegender Mechanismus der Resilienz48
2.7Resilienz und Mentalisierungsfähigkeit50
2.7.1Mentalisierungstheorie51
2.7.2Entwicklung der Mentalisierungsfähigkeit53
3Mentalisierungsbasierte Interventionen – Haltung und Methoden58
3.1Grundlagen der mentalisierungsbasierten Interventionen59
3.1.1Die mentalisierungsfördernde Haltung60
3.1.2Techniken der mentalisierungsbasierten Interventionen62
3.2Analyse des Übertragungs- und Gegenübertragungsgeschehens68
4Interinstitutionelle und multiprofessionelle Kooperation als Voraussetzung für wirksame Hilfen72
4.1Komplexe Problemlagen erfordern interinstitutionelle und multiprofessionelle Kooperation73
4.2Interinstitutionelle Kooperation und Vernetzung76
4.2.1Ist-Stand der interinstitutionellen Kooperationen78
4.2.2Gründe für Defizite in der Kooperation und bei der Ausgestaltung kommunaler Netzwerke80
4.3Modelle der Kooperations- und Vernetzungsarbeit82
4.4Interinstitutionelle Kooperation und Netzwerke erleichtern die fallbezogene Kooperation86
4.5Materialien90
5Durchführung der Interventionen und Rahmenbedingungen95
5.1Präventive und therapiebegleitende Interventionen95
5.2Setting und Durchführung96
6Familiendiagnostik99
6.1Fachlicher Hintergrund99
6.2Durchführung der Familiendiagnostik108
6.2.1Elterngespräche108
6.2.2Familiengespräche111
6.2.3Ressourcenexploration115
6.2.4Exploration der Gefährdungen für das Kind117
6.3Vereinbarungen über das weitere Vorgehen119
7Mentalisierungsbasierte Interventionen120
7.1Psychoedukation für Kinder120
7.2Förderung der familiären Kommunikation160
7.3Förderung der kindlichen Bewältigungskompetenzen182
7.4Aktivierung und Stärkung sozialer Ressourcen202
Literatur216
Materialien auf der CD-ROM226
Übersicht über die Materialien auf der CD-ROM226