Kapitel 7
Die Kirche St. Augustin war erst zweihundert Jahre alt, ein Baby angesichts der normalen korsischen Architektur. Sie bestand aus mächtigen gelblichen Granitblöcken und enthielt keine berühmten Kunstwerke, aber schöne alte Schnitzereien und Statuen, in Weiß, Blau und Gold bemalt. Die schönste stellte den heiligen Augustin von Hippo dar, in imposanter Bischofsrobe, mit kalkweißem Gesicht. Für die Hochzeit war die Kirche mit Blumen geschmückt worden, und Vater Andrews trug sein goldenes Meßhemd mit passendem Chormantel und Stola. Die Farbe des Gewands bildete einen krassen Kontrast zu seinem schwarzen Haar und der dunklen Haut. Die ernsten Augen schimmerten in einem undefinierbaren bräunlichen Grün, das sich mit dem Licht zu verändern schien. Manchmal wirkte er jung und scheu, aber diese Augen konnten auch zornig blitzen, und dann sah er viel älter und sogar bedrohlich aus.
Erst seit sieben Monaten lebte er in Taita. Im ganzen sollte er achtzehn Monate bleiben, zu Forschungszwecken, und währenddessen den Gemeindepriester von Taita unterstützen, Vater Delon. Dieser hatte vor vier Monaten einen Schlaganfall erlitten, und nun mußte der junge Ire alle kirchlichen Pflichten allein erfüllen. Für die Forschung blieb kaum noch Zeit. Doch er war ein Idealist und hielt die praktischen Erfahrungen, die er im Dorf sammeln konnte, für unschätzbar. Vielleicht fand er hier seine einzige Gelegenheit, für Menschen aus Fleisch und Blut zu arbeiten, denn als brillanter Gelehrter war er für eine Forschungstätigkeit im Vatikan vorgesehen.
Nun mußte er seine erste Trauung vornehmen, der er ziemlich nervös entgegenblickte. Es war ein Uhr, und schon zum fünftenmal an diesem Tag stieg er die steinerne Wendeltreppe des Glockenturms hinauf, der eine meilenweite Aussicht bot. Der Nebel löste sich auf, und er sah Staubwolken am Fuß des Hangs. »Das müssen sie sein«, flüsterte er erleichtert und bekreuzigte sich. Er hatte nicht gedacht, daß die Hochzeit tatsächlich stattfinden würde. In Taita hatte er bald gelernt, wie wichtig und einflußreich Xavier Rocca war, mächtiger als die Kirche und die französischen Behörden. Seit dem Begräbnis seiner Mutter hatte Rocca die Kirche nicht mehr besucht und auch beabsichtigt, seinen Sohn auf die traditionelle korsische Weise zu verheiraten. Die Braut küßte den Bräutigam in ihrem Elternhaus, vor den Augen der Verwandten und reichte ihm einen Teller mitfritelli (Fettgebackenes aus Kastanienmehl). Während die Hochzeitsgästefritelli aßen, führte der Bräutigam die Braut in ihr Zimmer, und die Ehe wurde sofort vollzogen.
Diese kaltblütige heidnische Methode beleidigte Vater Andrews' sentimentales irisches Herz. Deshalb hatte er Rocca eines Nachmittags in sicherer Entfernung von Taita aufgelauert und ihn angefleht, dem jungen Paar eine kirchliche Hochzeit zu gönnen. Unerklärlicherweise hatte Xavier nicht protestiert, und so war die Trauung vorbereitet worden.
Als Vater Andrews die Treppe hinabgeeilt war, sah er Xaviers Frau in die Kirche kommen, die Arme voller Zweige, von denen Rinde und welke Blätter auf die makellos sauberen Fliesen fielen. Wie das absonderliche Geschwätz ihrer wöchentlichen Beichten verriet, war sie geistesgestört, aber sie hatte auch ihre lichten Momente. Dieser zählte offensichtlich nicht dazu. Der Priester beauftragte einen Ministranten, den Schmutz zu entfernen, und nahm der Frau das Bündel ab. »Das ist sehr freundlich von Ihnen, Madame«, sagte er in seinem bedächtigen Französisch mit dem starken irischen Akzent und musterte sie. Die durchdringenden hellblauen Augen waren das einzig Schöne an ihrem fahlen Gesicht.
»Wilde Blumen – viel schöner als Gartenblumen«, stammelte sie. »So natürlich – anders als das da ...« Verächtlich zeigte sie auf die üppigen Blumenarrangements, um die er sich persönlich gekümmert hatte.
»Das ist ein großer Tag für Sie, Madame Rocca«, bemerkte er jovial.
»In einer Stunde werden sie da sein.«
In einer Stunde ... Dieser Gedanke erschreckte Maria. Würde alles gutgehen? Und die Katze? Warum hatte sie die Katze vergessen? O Gott, die Hochzeitsbuffets ... Tagelang hatte sie hart gearbeitet. Es gab keine Töchter, die ihr halfen. Und in letzter Zeit war sie so vergeßlich, ihr Geist flatterte umher wie ein Schmetterling, hielt sich nirgends lange auf. Auch ihre Mutter hatte darüber geklagt, aber damals