Die Stunde des Menschen
Wenn Walker Winslow und ich zu Fuß an der Autostraße entlang von der Arbeit nach Hause gingen, kamen wir oft auf ein Thema zurück – wie wunderbar einfach und wirkungsvoll gegenseitige Hilfe ist. Walker war Mitglied bei den Anonymen Alkoholikern gewesen und hatte dort immer wieder beobachten können, was für verblüffende Ergebnisse allein schon das Solidaritätsgefühl bewirkt. Wenn nun ein Alkoholiker, der sich für hilflos und hoffnungslos hält, allein durch das Zusammensein mit Leidensgefährten Trost findet und gestützt wird, wie steht es dann mit den anderen Hilflosen, den anderen Süchtigen, den anderen Opfern der Gesellschaft? (Das heißt mit der großen Mehrzahl der Menschheit.) Sitzen wir nicht alle in demselben Boot? Wer von uns ist schon Herr seines Schicksals? Von wie vielen unserer Freunde und Bekannten können wir sagen: «Das ist ein freies Individuum!» Oder gar: «Das ist ein Mensch, der sich selbst genügt!»
Die Substanz unserer Überlegungen könnte ich so zusammenfassen: Angenommen, wir alle verstünden uns nicht als Mitglieder in einer Organisation, sondern als Angehörige einer alten, beständigen Gemeinschaft, der einzigen, der wir uns wirklich verpflichtet fühlen können – der Menschheit; angenommen, wir begegneten Abweichungen von der Norm nicht mit Vorwurf und Strafe, sondern mit Verständnis und Mitgefühl, mit dem Verlangen zu helfen, statt mit dem Verlangen, uns zu schützen. Angenommen, wir gründeten unsere Sicherheit allein auf die Gewißheit gegenseitiger Hilfe. Angenommen, wir zerrissen das Netz komplizierter Gesetze, dessen Maschen uns jetzt umfangen, und setzten an seine Stelle das ungeschriebene Gesetz, daß kein Schrei aus der Not, kein Hilferuf ungehört bleiben darf. Ist nicht der Impuls, einander zu helfen, genauso stark, ja, stärker noch als der Impuls, einander zu verdammen? Leiden wir nicht unter dem Mißbrauch dieses Instinkts, unter seiner Usurpation durch den Staat und mildtätige Organisationen aller Art? Kurzum, wenn wir wüßten, daß wir, in welcher Notlage auch immer, nur davon zu sprechen brauchten, damit uns geholfen würde, wären wir dann nicht der meisten Übel, die uns jetzt plagen, schon ledig? Sind wir nicht alle Opfer von Angst und Furcht, eben weil wir kein Vertrauen zueinander, ineinander haben? Und dies um so mehr, als uns die Intelligenz fehlt, eine Macht und Weisheit zu erkennen, die größer ist als die unsere?
Da gibt es ein kurzes Gebet, das von Mitgliedern der Anonymen Alkoholiker oft gesprochen wird: «Gott schenke uns die Gelassenheit, das hinzunehmen, was wir nicht ändern können, den Mut, das zu ändern, was wir ändern können, und die Weisheit, zwischen beiden zu unterscheiden.»
Um zur Crux des Problems zu kommen, das uns verfolgte, hier die Frage, die wir einander stellten: «Kann man einem anderen wirklich helfen, und wenn ja: wie?»
Die Frage ist natürlich schon längst von Jesus beantwortet worden, einfach und direkt – wie im Zen, sind wir heute zu sagen versucht. Jesus hat m