: Julia Kastein, Sebastian Hesse-Kastein
: Great again? Reportagen aus einem zerrissenen Amerika
: mdv Mitteldeutscher Verlag
: 9783963114908
: 1
: CHF 9.00
:
: Nord- und Mittelamerika
: German
: 240
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Drohen die USA politisch auseinanderzubrechen? Die USA - Sehnsuchtsland der Freiheit und des wirtschaftlichen Aufstiegs für die einen, arrogante Supermacht mit imperialistischer Agenda für die anderen. Man kann sich reiben an Amerika. Und mit dem Amtsantritt von Präsident Donald Trump 2017 ist vielen bewusst geworden, dass »God's own country« noch immer voller Überraschungen steckt. Gerade noch glänzte der Stern des Friedensnobelpreisträgers Barack Obama und schon ist man sprachlos angesichts von Trumps »America first«-Politik. Seit der politische Quereinsteiger im Weißen Haus residiert, tobt ein Kulturkampf in den USA. Trumps Anhänger glauben, die globalistische Linke habe ihn angezettelt, um das Amerika der Gründerväter zu zerstören. Sie sind zur Gegenrevolution übergegangen, um zu bewahren, was sie für das historische Erbe des Landes halten. Trump führt diese Revolte mit seiner »Make America great again«-Kampagne an. Er hat Jobs geschaffen, die Wirtschaft stimuliert, den Umweltschutz aufgeweicht und Handelskriege angezettelt. Hat er Amerika damit »great again« gemacht? Zumindest bis zum Ausbruch der Corona-Krise, die die USA besonders hart getroffen hat? Oder bis der Tod von George Floyd landesweit die »Black Lives Matter«-Bewegung gegen Rassismus und Polizeigewalt mobilisiert hat? Die ARD-Auslandskorrespondenten Julia Kastein und Sebastian Hesse-Kastein haben sich auf den Weg gemacht, auf einen Roadtrip durch ein verändertes Land. Sie haben Amerikaner aus den unterschiedlichsten Lebenswelten getroffen, ihnen zugehört. Sie haben den amerikanischen Alltag gelebt, auch im Corona-Lockdown. Die Reportagen und Fotos in diesem Band fügen sich zu einem Gesamtbild, das die USA dieser Tage neu und ganz anders darstellt. Ein zerrissenes Land, das auf der Suche nach sich selbst ist.

I

Die gelähmte Supermacht, oder:
Wie die Corona-Krise Trumps Kulturrevolution ausbremste


SEBASTIAN HESSE-KASTEIN

 

 

Wir waren seit neun Monaten zurück in den Vereinigten Staaten, als die Corona-Krise begann. Wir waren mit dem festen Vorsatz angereist, aus unserem Aufenthalt möglichst einen einzigen ausschweifenden Roadtrip zu machen. Wir wollten uns dem veränderten Amerika auf die einzige Weise nähern, die dem unendlich weiten Sehnsuchtsland wirklich entspricht: on the road. Bald zwanzig Jahre war es her, dass wir das erste Mal in die USA gezogen waren. Damals, von 2000 bis 2005, für fünf Jahre. Damals hieß der Präsident George W. Bush. Diesmal heißt er Donald J. Trump. Und dem Hörensagen nach sollte das Land ein anderes sein als damals. Wir wollten es bis in die letzten Winkel abklappern, um diesen Veränderungen nachzuspüren. Doch neun Monate nach unserer Ankunft war das reichste, mächtigste und vitalste Land der Erde zum Stillstand gekommen. Und damit auch wir.

Während unserer ersten Korrespondentenzeit war das prägende Ereignis der Terror vom 11. September 2001. Dieses Mal sollte es die Corona-Krise sein. 9/11 und die Folgen hatten wir vor Ort in Washington DC, dem zweiten Anschlagsziel neben New York City, hautnah miterlebt. Und jetzt standen wir die Corona-Krise im Lockdown und unter »Stay-at-home«-Order in der Vorstadtidylle von Glen Echo, Maryland, durch. Wir waren in ein Amerika zurückgekehrt, in dem ein richtungsweisender Kulturkampf tobt. Wie bei jeder erbitterten Auseinandersetzung geht es auch hier um Vorherrschaft: um die Deutungshoheit darüber, was es heißt, amerikanisch zu sein. Und um die gesellschaftlichen und politischen Weichenstellungen, die die jeweilige Idee von Amerika materialisieren sollen. In diesem Kulturkampf ist die Figur des Donald Trump vor allem Posterboy der aufbegehrenden Partei. Wie eine Monstranz tragen sie ihn, die Ikone der Vernachlässigten, vor sich her. Daher dominiert Trump das öffentliche Erscheinungsbild. Er gestaltet die Tagespolitik. Vor allem aber ist er das Instrument, das Vehikel, eines lange ignorierten Amerika, das im Verborgenen ausharrte und jetzt mit dem Kulturk