SEBASTIAN HESSE-KASTEIN
Wir waren seit neun Monaten zurück in den Vereinigten Staaten, als die Corona-Krise begann. Wir waren mit dem festen Vorsatz angereist, aus unserem Aufenthalt möglichst einen einzigen ausschweifenden Roadtrip zu machen. Wir wollten uns dem veränderten Amerika auf die einzige Weise nähern, die dem unendlich weiten Sehnsuchtsland wirklich entspricht: on the road. Bald zwanzig Jahre war es her, dass wir das erste Mal in die USA gezogen waren. Damals, von 2000 bis 2005, für fünf Jahre. Damals hieß der Präsident George W. Bush. Diesmal heißt er Donald J. Trump. Und dem Hörensagen nach sollte das Land ein anderes sein als damals. Wir wollten es bis in die letzten Winkel abklappern, um diesen Veränderungen nachzuspüren. Doch neun Monate nach unserer Ankunft war das reichste, mächtigste und vitalste Land der Erde zum Stillstand gekommen. Und damit auch wir.
Während unserer ersten Korrespondentenzeit war das prägende Ereignis der Terror vom 11. September 2001. Dieses Mal sollte es die Corona-Krise sein. 9/11 und die Folgen hatten wir vor Ort in Washington DC, dem zweiten Anschlagsziel neben New York City, hautnah miterlebt. Und jetzt standen wir die Corona-Krise im Lockdown und unter »Stay-at-home«-Order in der Vorstadtidylle von Glen Echo, Maryland, durch. Wir waren in ein Amerika zurückgekehrt, in dem ein richtungsweisender Kulturkampf tobt. Wie bei jeder erbitterten Auseinandersetzung geht es auch hier um Vorherrschaft: um die Deutungshoheit darüber, was es heißt, amerikanisch zu sein. Und um die gesellschaftlichen und politischen Weichenstellungen, die die jeweilige Idee von Amerika materialisieren sollen. In diesem Kulturkampf ist die Figur des Donald Trump vor allem Posterboy der aufbegehrenden Partei. Wie eine Monstranz tragen sie ihn, die Ikone der Vernachlässigten, vor sich her. Daher dominiert Trump das öffentliche Erscheinungsbild. Er gestaltet die Tagespolitik. Vor allem aber ist er das Instrument, das Vehikel, eines lange ignorierten Amerika, das im Verborgenen ausharrte und jetzt mit dem Kulturk