: Claudi Feldhaus
: Knochen: Angela Lanzkels 1. Fall
: epubli
: 9783753138800
: 6
: CHF 1.80
:
: Erzählende Literatur
: German
: 72
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Nachdem sie sich von ihrer exorbitant erfolgreichen, politischen Karriere verabschiedet hat, sucht die 70-jährige Angela Lanzkel einen Ort, an dem sie zur Ruhe kommen kann. Im lettischen Sabiedr?ba, etwa eine Autostunde von Dünaberg (Daugavpils) entfernt, werden sie und ihr Gatte fündig, denn die 50-jährige Anna vermietet ein gemütliches Holzhäuschen für Leute, die Internet und ständiger Erreichbarkeit entfliehen wollen. Angela genießt die Tage; liest, schläft und liebt. Doch auf einem ihrer Spaziergänge durch die dichten Laubwälder der Gemeinde entdeckt sie das Skelett des seit zehn Jahren verschwundenen Igors, Annas Vater. Die Reaktionen aller Frauen des Ortes könnten unterschiedlicher nicht sein und lassen Angela bezweifeln, dass sein Tod ein Unfall gewesen war. Sie sucht das Gespräch und findet bald eine heiße Spur. Doch wie weit kann sie sich herauswagen, ohne dass ihre Identität enttarnt wird? Es handelt sich hierbei um einen fiktiven Roman, die Handlung basiert auf erfundenen Ereignissen, Orten und Figuren.

Claudi Feldhaus, anno 1987 im Berliner Umland, hat, bis sie mit ca. 7 schreiben konnte, Bildergeschichten gemalt. In ihren wilden Teenagerjahren zeichnete sie Comics und Mangas. Dann kamen die Romane und sind bis heute ihr Medium. Mit Anfang 20 absolvierte sie ein Belletristikstudium, es folgten mehrere Romanveröffentlichungen, erst in Verlagen, dann im Selfpublishing. Sie veröffentlicht zeitgenössische Berlinromane und Fantasy und, unter ihrem anderen Pseudonym Amalia Frey, feministische Romance und Herstory. Claudi Feldhaus lebt, liebt und trinkt Kaffee in Berlin.

Der Schuss fiel und verwehte in der Kühle der Nacht. Im nächsten Moment sackte der Körper in das hohe Gras. Herbst und Frost hatten es trocken und starr gefroren, doch der Waldboden war feucht und weich von den Regengüssen der letzten Tage. Dennoch war der Fall des Mannes hörbar, 120 Kilo Kampfgewicht. Dann war alles still. Endlose Minuten gab der nächtliche Wald kein Geräusch von sich, die Tiere schwiegen nach dem Schuss. Schließlich aber Schritte, schwer in den groben Wanderschuhen.

Als die ersten Nachtvögel wieder Laute von sich gaben, entwich der durchlöcherten Lunge der letzte Atemzug. Er war ganz sicher tot. Soviel war klar. Und das war das Wichtigste.

 

 

1


 

Angela setzte sich den Rucksack auf. Sie wusste nicht mehr, wann sie das zuletzt selbst gemacht hatte. Wann hatte sie zuletzt etwas Schweres heben müssen? Sich darum Gedanken machen, wie und wann sie zu Mittag aß? Und wer dafür bezahlte?

Sicher, in den Jahren hatte sie auch hin und wieder Urlaub gemacht und da durchaus ihr Butterbrot allein geschmiert oder eine Kugel Eis mit Geld bezahlt, das sie aus ihrer Hosentasche gefischt hatte. Aber diese Momente waren Aufnahmen, kurz und verwaschen von den all den anderen, in denen sie klar und deutlich gewesen war ... sein musste. Denn es stand so viele Stunden des Tages, ihrer Woche, ihres Lebens, so viel mehr auf dem Spiel, als dass ihr Magen knurrte oder die Unterhose zwackte. Nun hatte sie endlich Ruhe! Sie war so viele Male gefragt worden, was sie denn für ihren Ruhestand plante. Da hatte sie die üblichen Verdächtigen genannt: »Zeit mit der Familie, wandern gehen, vielleicht ein Buch schreiben. Nein, keines über ihr Leben, aber sie stellte sich den Schaffensprozess interessant vor. Fast zwei Jahrzehnte lang waren Reden für sie geschrieben worden, ihrem Satzbau, ihren Lieblingswörtern angepasst. Nun wollte sie eigene Worte finden!

Sie zog sich die Mütze tief in die Stirn und lächelte ihren Gatten an, der ihr die Tür aufhielt. Das tat er gerne. Manchmal hatte er gescherzt, dass ihr alle mächtigen Männer dieser Welt die Türe aufgehalten hatten, aber er der Einzige war, der es ohne Hintergedanken tat. War das überhaupt noch en vogue, sich als Frau die Türe aufhalten zu lassen? Andere einflussreiche Frauen hatten ihr erklärt, dass sie lieber selbst die Tür öffneten, wenn sie dafür das gleiche Geld verdienten. Da war etwas dran! Oh, aber darüber wollte sie nicht heute nachdenken.

Ihre Nordic Walking Stöcke lehnten griffbereit neben der Tür, Angela zog die Schlaufen über die Handgelenke und walkte los. Als sie am Heim ihrer Vermieterin Anna vorbeigingen, bellte der Haus- und Hofhund Strahlemann, ein brauner hübscher Labrador ihnen hinterher, doch davon ließen sie sich nicht stören. Angelas Mutter hatte ihr diese Nordic Walking-Stöcke vor einigen Jahren geschenkt, aber es war nicht auszudenken gewesen, dass Angela sie im Urlaub mal benutzte und Paparazzi sie damit ablichteten. Deswegen waren sie eingestaubt und fast vergessen worden, wenn ihre Mutter sie jetzt damit sehen könnte!

Strahlemanns Bellen war noch immer zu hören, auch wenn das Haus schon lange außer Sichtweite war. Ihr Gatte bemerkte ihre nervösen Zuckungen, mit denen sie immer mal über ihre Schulter sah, ihr Blick, der die Umgebung abtastete. Als sie den Weg in den Wald nahmen, wurde sie etwas ruhiger. Dann ein Knacksen im Gebüsch zu seiner Rechten, schon erstarrte sie und nahm Haltung an.

»Liebes ...«, sagte er, »wir sind eine Stunde von Dünaberg entfernt. Hier ist niemand außer uns.«

Angela seufzte. »Ja ... hier kennt mich niemand.«

»Das wolltest du doch.«

»Daran muss ich mich erst wieder gewöhnen.« Sie schmunzelte und lehnte ihren Kopf an seine Schulter.

Er wollte ihr sagen, dass sie den