: Christoph Zehendner
: Jeder verdient eine zweite Chance Hoffnungsträger-Geschichten aus dem Seehaus und dem Rest der Welt
: Brunnen Verlag Gießen
: 9783765575792
: 2
: CHF 10.70
:
: Briefe, Tagebücher
: German
: 224
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Wie leicht - das in einem Kind zu sehen und zu sagen: 'Ich sehe das Gute in dir!' Wie schwer, das sich selbst oder einem anderen Menschen zuzusprechen, der gerade grandios gescheitert ist, versagt hat, schuldig geworden ist. Tobias Merckle, Unternehmer, Pädagoge, Visionär, meint: 'Jeder hat eine Chance verdient, auch eine zweite Chance - um Gottes willen! Erst recht Kinder aus Krisengebieten. Oder junge Menschen, deren Eltern manches vermasselt haben.' Und so sieht und sucht er das Gute, entwickelt Konzepte, schafft Einrichtungen, Häuser, Programme - Leuchtturmprojekte wie das Seehaus in Leonberg und in Leipzig, die Hoffnungshäsuer, die Hoffnungsträger Stiftung. Wird ausgezeichnet mit dem Integrationspreis des Landes Baden-Württemberg. Aber immer geht es um eines: um Menschen. Um Männer, Frauen, Kinder, die eines verdient haben, um Gottes willen: eine zweite Chance. 'Weil es bei Gott keine hoffnungslosen Fälle gibt', wie der Journalist und Autor Christoph Zehendner mit seinem packenden Versöhnungs-, Würde- und Hoffnungs-Geschichten über das Engagement in 'Deutschland, Kolumbien und dem Rest der Welt' zeigt.

Christoph Zehendner, Jahrgang 1961, ist Journalist, Liedermacher, Moderator und Theologe. Er lebt mit seiner Frau in Steinenbronn bei Tübingen. Zusammen arbeiten sie im Kloster Triefenstein a.M. (Unterfranken) in der evangelischen Christusträger-Bruderschaft.

1.


Ich sehe das Gute in dir –


Von Visionären,Seehaus-Jungs,Hoffnungsträgern und einer sehr guten Idee


Einmal Pizza, einmal Pasta, einmal einen Hamburger. Davor drei verschiedene Vorspeisen – zum Probieren. Und drei verschiedene Säfte – frisch gepresst natürlich. So gehört sich das hier in Kolumbien.

An einem lauschigen Novemberabend sitze ich bei sommerlichen Temperaturen von vielleicht 28 Grad gemeinsam mit zwei jungen Frauen in einem Straßenrestaurant in der kolumbianischen Millionenstadt Medellín.

Wir sind zu Fuß hier. Simone wohnt in der Gegend. Anna und ich (nur für ein paar Recherche-Tage) sind im Bürogebäude des kolumbianischen Zweiges vonPrison Fellowship untergebracht. Alles hier in der Nähe, ein paar Hundert Meter weit weg.

Beim Spaziergang hierher konnte ich das Stadtviertel auf mich wirken lassen. Ungewöhnlich viel Verkehr drückt sich durch die nicht besonders breiten Straßen. Denn anderswo in Medellín wird heute demonstriert, protestiert, Krach geschlagen: im Zentrum und auf den breiten Zufahrtstraßen. Tausende, vielleicht Zehntausende von Menschen machen dort gerade ihrem Ärger Luft. Trommeln mit Kochlöffeln auf Pfannen oder Töpfe. Rufen Parolen. Fordern mehr soziale Gerechtigkeit, bessere Bildung, bessere berufliche Chancen, höhere Renten. Laute Hilfeschreie einer Gesellschaft, in der die Schere zwischen wenigen Reichen und sehr vielen Armen immer weiter auseinandergeht.

Wir wollten zur Feier des Tages (Anna hat heute Geburtstag) eigentlich in der Abenddämmerung mit einer Seilbahn über die Dächer der Stadt in die höchstgelegenen Viertel schweben, mit Traumblick über eine manchmal albtraumhafte Stadt, und anschließend unten in der City fein essen gehen. Doch kundige Einheimische haben uns abgeraten: aus Sorge um unsere Sicherheit. Niemand kann ermessen, ob die Demos nicht vielleicht auch so gewalttätig enden werden wie die vor ein paar Tagen in der Hauptstadt Bogota, wo es sogar Todesopfer gab. Deswegen sind wir hier gelandet, in diesem Stadtviertel. Ein wenig ab vom Schuss. Aber auch recht nett.

Auf unserem Weg sind mir einige große Ballen mit Plastikmüll in einer Ecke aufgefallen. Und die beiden jungen Männer, die dort gerade ihr Nachtquartier aufschlagen. Auch den schon etwas älteren Herrn habe ich wahrgenommen, der mitten auf dem Bürgerste