Erstes Kapitel.
Drei Tage waren seit des Wegeführers Aufbruch vergangen und obgleich es noch früh war, so regte sich doch schon emsige Thätigkeit in den Arbeitssälen Bent-Anat's.
Schlaflos hatten die Freundinnen die stürmische Nacht, welche dem an Erregungen reichen Festabend gefolgt war, zugebracht.
Nefert fühlte sich am andern Morgen schlaff und müde und bat die Königstochter, sie erst am nächsten Tage in ihre neue Thätigkeit einzuführen, die Prinzessin sprach ihr aber ermunternd zu, weil man das Gute nie von heute auf morgen verschieben dürfe, und bewog sie, ihr in ihre Werkstätten zu folgen.
»Wir müssen Beide auf andere Gedanken kommen,« sagte sie. »Ich schaudere manchmal unwillkürlich zusammen; es ist mir als trüg' ich ein Brandmal, als schändete mich ein Schmutzfleck hier an der Schulter, die Paaker's rohe Hand berührt hat.«
Am ersten Arbeitstage gab es für Nefert Manches zu überwinden, am zweiten reizte sie schon das begonnene Werk und am dritten freute sie sich an kleinen Erfolgen
Bent-Anat hatte sie an den rechten Platz gestellt, indem sie ihr die Leitung einer großen Zahl von kleinen Mädchen und Frauen, den Töchtern, Weibern und Wittwen von im Felde stehenden oder gefallenen Thebanern übertrug, die heilkräftige Kräuter zu sichten und zu ordnen hatten.
Ihre Gehilfinnen kauerten in kleinen Kreisen am Boden; in der Mitte eines jeden lag ein größeres Häuflein von frischen und trockenen Pflanzen und vor jeder Arbeiterin eine Zahl von Päckchen mit den ausgelesenen Wurzeln, Blättern und Blumen.
Ein alter Heilkünstler leitete das Ganze und hatte Nefert am ersten Tage mit den einzelnen Pflanzen, deren er bedurfte, bekannt gemacht.
Die den Blumen holde Gattin des Mena hatte Alles schnell behalten und lehrte gern, denn sie liebte die Kinder.
Bald hatte sie sich auch Lieblinge unter den Kleinen ausgesucht und einige als emsig und sorgsam, andere als träge und flüchtig erkannt.
»Ei, ei,« sagte sie, indem sie sich zu einem kleinen, halbnackten Mädchen mit großen mandelförmigen Augen herniederbeugte, »Du wirfst ja Alles durch einander! Dein Vater, so hast Du mir gesagt, wäre im Kriege. Denke nur, wenn ein Pfeil ihn träfe und man legte ihm dieses Kraut, das ihm schaden, statt jenes dort, das ihm helfen würde, auf die brennende Wunde, das wäre doch schmerzlich!«
Das Mädchen nickte mit dem Kopfe und sah ihre Arbeit noch einmal durch; Nefert aber wandte sich an einen kleinen Faulpelz und sagte. »Da plauderst Du wieder und thust nichts, und doch ist auch Dein Vater im Felde! Wenn er nun krank ist und er hat keine Arznei und schläft in der Nacht und träumt dann von Dir und sieht Dich so sitzen, dann sagt er sich wohl: Nun könnt' ich gesund sein, aber mein Töchterchen liebt mich gar nicht, denn sie legt ja lieber die Hände in den Schooß, als daß sie für ihr krankes Väterchen Arznei bereitet.«
Dann wandte sich Nefert einem größern Kreise von Kräuter lesenden Mädchen zu und fragte sie. »Kennt ihr Kinder die Herkunft von all' diesen freundlichen, heilbringenden Kräutern? Der gute Horus war in den Krieg gezogen gegen Seth, den Mörder seines Vaters, und in dem Kampfeschlug der grimmige Feind dem Horus ein Auge aus; aber der Sohn des Osiris siegte, denn das Gute besiegt immer das Böse. Als aber Isis das arme wunde Auge sah, da drückte sie ihres Sohnes Haupt an ihre Brust und es war ihr so weh im Herzen, wie einer armen Menschenmutter, die ihr leidendes Kind in den Armen hält, und sie dachte: ›Wie leicht ist es doch, Wunden zu schlagen, und wie schwer, sie zu heilen!‹ Und sie weinte dabei. Eine Thräne nach der andern fiel zur Erde und überall wo sie den Boden benetzten, da erwuchs solch' freundliches Heilungskraut.«
»Isis ist sehr gut,« rief darauf ein Mädchen ihr gegenüber. »Die Mutter sagt, Isis hätte die Kinder auch lieb, wenn sie brav wären.«
»Deine Mutter hat Recht,« erwiederte Nefert. »Isis hat ja selbst ihr liebes Horuskindchen und jeder Mensch, der stirbt und der gut war, der wird wieder zum Kinde und die Göttin macht ihn sich zu eigen und nimmt ihn an ihre Brust und pflegt ihn mit ihrer Schwester Nephthys, bis er groß wird und kämpfen kann für seinen Vater.«
Nefert bemerkte, daß eine Frau bei ihrer Erzählung weinte. Sie näherte sich ihr fragend und erfuhr, daß ihr Mann und ihr Sohn, jener in Syrien, dieser nach seiner Heimkehr in Aegypten gestorben wäre.
»Du Arme,« sagte Nefert. »Nun sorge erst recht, daß die Wunden der An