: Clint Lukas
: Asche ist furchtlos Roman
: Periplaneta
: 9783959961974
: Edition Periplaneta
: 1
: CHF 11.40
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 256
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
'Ihre Schönheit war unerträglich. Mit einer plötzlichen, überdeutlichen Klarheit sah ich, dass diese Frau sich niemals in irgendeiner Form binden würde. An keinen Mann, keine Frau, keinen Ort. Sie war der Flügel des Schmetterlings,den niemand berühren durfte. Und doch wünschte ich mir genau das.' Ciri hat ihre Mutter nie richtig kennengelernt. Alle habenihr bisher die Umstände ihres Verschwindens verschwiegen, allen voran ihr Vater. Was soll man auch erzählen, wenn die große Liebe eine von allen hofierte Dealerin der Berliner Clubszene war und man selbst nur ein geduldeter Zaungast? Als Jonas nach 15 Jahren endlich zu reden beginnt, begreift er nach und nach das Ausmaß seiner grenzenlosen Verklärung. Doch da haben seine und CirisverdrängteDämonen längst alle Macht über ihre Gegenwart. Ein großer Roman über Obsessionen, die zerstörerische Kraft der Liebe und über die Abgründe der Berliner Clubszene.

Clint Lukas, Jahrgang 1985, lebt seit seinem zwanzigsten Lebensjahr in Berlin. Neben mehreren Buchpublikationen, sowie Kolumnen bei Tagesspiegel und Mit Vergnügen, war er jahrelang als Grenzgänger im Berliner Nachtleben aktiv - eine Erfahrung, die nicht zuletzt zum dunklen Grundton von"Asche ist furchtlos" beigetragen hat. www.clintlukas.com

*


„Ich habe Nora in einem Club kennengelernt, natürlich, wo sonst. Ja, sie hat Drogen verkauft. Und war deshalb jede Nacht unterwegs. Das hat sie einfach geliebt. Die vielen Menschen. Der Lärm und der Schweiß. Freigetränke an jeder Bar. Von einer Party zur nächsten. Ich war da anders. Es hat mich immer Überwindung gekostet, unter Leute zu gehen. Und mit Drogen hatte ich überhaupt nichts am Hut. Im Grunde war ich das genaue Gegenteil von deiner Mutter.“

„Warum bist du dann aus dem Haus gegangen, wenn alles so schlimm war?“, frag ich.

„Wegen Dorian. Ich sag ja, ich muss weiter ausholen. Er hat mich an den Wochenenden in die Nächte hinaus geschleift. Ohne ihn hätte ich Nora wahrscheinlich nie kennengelernt.“

Dorian. Der verrückteste Mensch, den ich kenne. Früher war er bestimmt noch viel krasser. Hab mich immer gefragt, was er an meinem Vater gefunden hat.

„Ich bin damals nach Berlin gekommen, weil ich professioneller Künstler werden wollte. Was auch immer ich mir darunter vorgestellt habe. Ich meine, ich kannte niemanden in der Stadt, hatte keine einzige Anlaufstelle. Meine beiden Koffer waren voller Farben und Bücher. Ich habe vermutlich gedacht, es reicht, wenn ich male. Irgendjemand würde meine Genialität dann schon entdecken und alles weitere regeln.

Ist natürlich anders gekommen. Ich musste ziemlich schnell feststellen, dass es Unmengen von Künstlern wie mir gibt. Die in jedem Café, jeder Kneipe herumlungern. Interessante Typen. Zu denen ich mich gerne gezählt hätte. Leider fanden die Galerien uns nicht so interessant.

Nach ein paar Wochen hatte ich kein Geld mehr. Ich musste mir einen Job suchen. Fing als Tellerwäscher bei einer Zeitarbeit-Firma an. Schlimm war das. Bei der Einstellung haben sie mir einen Katalog mit Benimmregeln gegeben. Dass man sich die Haare waschen soll. Und überhaupt regelmäßig duschen. Und dass man nicht ungefragt reden soll, sondern nur, wenn man angesprochen wird. Egal, ich will dich nicht langweilen.

Ein Gutes hatte der Job jedenfalls. Ich wurde fast jeden Tag woanders eingesetzt. Bei Caterings überall in der Stadt. Allein habe ich mich ja kaum raus getraut. Ich musste zwar den Hintereingang benutzen, aber immerhin durfte ich auf die Art die Teller der erlesensten Gesellschaften spülen. Bei Botschaftsempfängen oder Filmpremieren. Manchmal auch bei einer Vernissage, wo ich mir dann nach Feierabend die Bilder angeschaut habe und nicht verstehen konnte, was daran toll sein soll.

Ich glaube, es war im Bundesrat. Dort habe ich Dorian zum ersten Mal getroffen. Es gab da so einen winzigen Verschlag für die Spülmaschinen. Man kam nur durch eine Art Tapetentür rein. Ich stand da im Dampf und konnte mich kaum bewegen. Und plötzlich zwängt sich dieser Typ noch dazu. Anfang dreißig, blutunterlaufene Augen, Geheimratsecken.

„Willst du die Hirschkalb-Abschnitte?“, schrie er mich an. „Magst du was trinken? Hier, trink. Sei nicht so bescheiden!“

Er hatte eine Kochjacke mit Monogramm, a