5. Kapitel
Zu Hause sah sich Leo Beas Unterlagen an. Erfreut stellte sie fest, dass sie in fast allen Fächern auf dem gleichen Stand war. Nur in Geschichte hinkte sie dem Stoff hinterher. Doch schon nach dem ersten Blick ins Geschichtsbuch warf Leo sich lustlos aufs Bett und starrte an die Decke. Plötzlich klingelte es an der Tür. Leo raffte sich auf und sah aus dem Fenster. Unten stand Bea. Sie winkte zu ihr hinauf. Und sie hatte etwas mitgebracht.
»Ist das Ding etwa ein Rollstuhl?«, fragte Leo verdattert.
»Der gehört meinem Opa!«, rief Bea.
»Und den kannst du dir einfach so ausleihen?«, fragte Leo.
»Mein Opa lebt nicht mehr. Und im Himmel braucht er ihn nicht!«, rief Bea nach oben.
»Oh!« Leo war für einen Moment erschrocken.
»Komm runter!«, rief Bea unbekümmert. »Wirmüssen los!«
Erst jetzt begriff Leo, was Bea vorhatte. Sie schnappte sich ihre Jacke und ihre Krücken und humpelte nach unten und auf die Straße.
»Und du willst mich den ganzen Weg schieben?«, fragte sie, als sie sich in den Rollstuhl plumpsen ließ.
»Kein Problem«, sagte Bea. Mit erstaunlichen Kräften schob sie Leo die Straße bergan.
Leo lachte. »Wow, das ist super bequem!«
»Geht so!«, kicherte Bea. Die Straße wurde steiler. Es ging immer langsamer voran. Obwohl Bea sich gegen den Rollstuhl stemmte, konnte sie ihn schließlich kaum noch bewegen. »Puh, so wird das nichts«, ächzte sie.
»Warte, ich hab eine Idee«, sagte Leo. Sie nahm ihre Krücken und stieß sich wie beim Skilanglauf auf beiden Seiten ab. Es sah zum Schreien aus, aber es funktionierte!
»Hey, das ist ja wie beim Nordic Walking!«, prustete Bea.
»Eher Nordic Rollstuhl«, rief Leo und kam vor lauter Lachen aus der Puste.
Gemeinsam schafften sie den Weg hinauf bis zumWaldrand. Von da ging es ein Stück bergab über Stock und Stein. Leo wurde ordentlich durchgeschüttelt. Bald entdeckten sie auf dem Waldweg die ersten Hufspuren,und vereinzelte Pferdeäpfel verrieten, dass hier vor kurzer Zeit Pferde vorbeigekommen sein mussten.
Wenig später begegnete ihnen auch schon eine Reitgruppe. Bea blieb andächtig stehen. Auch Leo war beeindruckt. Aus ihrer Rollstuhlperspektive wirkten die Pferde, die schnaubend an ihr vorbeizogen, noch größer und Respekt einflößender als erwartet. Die meisten Reiter nahmen von den Mädchen keine Notiz, sie schauten selbstbewusst nach vorn. Einige aber sahen mit unverkennbarem Stolz auf Leo und Bea herab.
»Sind sie nicht wunderschön?«, hauchte Bea.
Nachdem sie das Wäldchen durchquert hatten, wurde der Weg etwas besser. Links und rechts war er nun durch hölzerne Weidezäune begrenzt. Vor ihnen erstreckten sich weite Wiesen, auf denen Kühe grasten. Bea rannte zum Zaun, stellte sich auf die unterste Sprosse und spähte in die Ferne.
»Da hinten! Wir haben es fast geschafft«, rief sie, vor Begeisterung ganz außer Atem. Sie rannte zu Leo zurück und schob sie mit neuem