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SUSANNE TOBIES
Eine Frage der Liebe
Als ein mittleres Kind von fünf Geschwistern und aufgewachsen in einem turbulenten großen Handwerkerhaushalt mit Opa, Tante und Cousin musste ich schon immer flexibel sein. Ich hatte früh gelernt, mich anzupassen, und das kam mir durchaus in meinem weiteren Leben zugute: Verschiedene Umstände brachten öfter örtliche, berufliche oder familiäre Veränderungen mit sich, in die ich mich willig einfügte und das Beste herauszuholen wusste. Ich war immer bereit, den Faden eines verwirrten Knäuels, das mir das Leben vor die Füße warf, aufzunehmen und neu aufzuwickeln. Und das kam häufiger vor. Doch es gab eine Phase, die mir alles abverlangte und mich in die größte Krise meines Lebens katapultierte.
Anfang der 1990er-Jahre entschied sich mein Mann mit meiner ungeteilten Zustimmung, sich als Grafiker mit einer Werbeagentur selbstständig zu machen. Schon jahrelang hatte er sich nebenberuflich viel mit Werbung und Grafik beschäftigt, gute Ideen gehen ihm niemals aus – ein kreativer Kopf. Wir wussten um das Risiko, es in unserer kleinen Stadt zu wagen, umgeben von Elbe, Nordsee und viel grünem Hinterland. Doch der Schritt war nicht unüberlegt, und wir hatten nach viel Gebet und Gesprächen mit Freunden das Gefühl, grünes Licht von Gott zu bekommen.
Aber dann kam die Ent-Täuschung. Zu wenige Aufträge, um unsere fünfköpfige Familie zu ernähren. Zwei Jahre kämpften wir ums Überleben, dann traten wir die Flucht nach vorne an: Wir ergänzten die Ein-Mann-Werbeagentur um eine kleine Druckerei samt Wohnhaus, in das wir einzogen, übernahmen die vier Angestellten – und hatten auf einmal eine riesige Verantwortung. Doch trotz oft 16-stündiger Arbeitstage lagen die Einnahmen immer hinter den Kosten für Angestellte, Haus und Druckerei zurück. Kreativsein und Fleiß reichten einfach nicht aus. Zum einen war das kaufmännische Wissen bei uns nicht sehr ausgeprägt, zum anderen war in unserer kleinen Stadt der Markt nicht besonders groß. Dazu kam damals der große Umbruch im Printbereich: Mehr und mehr Personal Computer eroberten die privaten Haushalte, man stellte selbst Geburts- und Hochzeitsanzeigen, Flyer und kleine Plakate her. Die edlen individuellen Karten mit Umschlägen, die aufwändig gestalteten Prospekte und hochwertige Broschüren waren nicht mehr so gefragt.
Für uns war es eine Zeit, in der wir verzweifelt kämpften, schufteten, uns noch mehr einschränkten, obwohl wir schon immer bescheiden lebten. Ich wusste oft nicht, wie ich das nächste Paar Schuhe für die Kinder finanzieren sollte – und sie wuchsen so schnell. Komischerweise blieb mir aus der Zeit hauptsächlich in Erinnerung, dass ich damals jeden Geldbetrag in Kinderschuhe umrechnete …
Freunde halfen aus, wofür wir dankbar waren, aber es war zugleich eine weitere demütigende Erfahrung. Unser Stolz auf unsere harte Arbeit, auf eigene Leistung wurde gebrochen. Und es nützte nichts. Nach weiteren zwei Jahren mussten wir den Tatsachen ins Auge sehen: Die Druckerei würde sich niemals tragen. Wir verkauften Haus und Inventar mit großem Verlust und zogen ins Haus meiner Eltern.
Vertrauensverlust
Die folgende Zeit der Arbeitssuche war für meinen Mann und mich gekennzeichnet von existenziellen Zweifeln und Vertrauensverlust gegenüber Gott. Hatten wir nicht gerungen darum, seinen Willen zu erfahren? Hatte er nicht seine Zustimmung gegeben? Hatten wir ihm nicht immer treu gedient, viel Zeit und Arbeitskraft in sein Reich investiert? Was sollte das? War Gott überhaupt auf unserer Seite? Wir wussten einfach nicht mehr, ob Gott der liebende Gott war, den die Bibel uns anpries. Keines unserer vielen Gebete war erhört worden. Wir quälten uns mit Fragen, doch das große Schweigen Gottes dauerte an.
In welche Richtung wir auch blickten, es gab zu dem Zeitpunkt kein Fortkommen, kein