: Sybil Gräfin Schönfeldt
: Sonderappell Roman
: ebersbach& simon
: 9783869152387
: 1
: CHF 16.20
:
: Erzählende Literatur
: German
: 288
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Sybil Gräfin Schönfeldts bewegender Roman über eine Jugend unterm Hakenkreuz Die 17-jährige Charlotte steht kurz vor dem Abitur, als sie Ende 1944 zum Reichsarbeitsdienst (RAD) nach Oberschlesien eingezogen wird. Schulung, Appelle, militärische Disziplin, Kameradschaft, Treue und Gehorsam sind dem Mädchen aus einer Offiziersfamilie vertraut. Doch während sie Kartoffeln schält, Ställe ausmistet und Panzersperren baut, kommen ihr erste Zweifel am nationalsozialistischen System. Zur Gewissheit werden sie durch Charlottes Freundschaft mit Ruth, der Tochter eines Widerstandskämpfers. Eines Tages ist Ruth verschwunden - und die Russen stehen vor Stettin. 'Es geht nicht um die Idee der sozialen Arbeit, die sehr viel älter ist als der Reichsarbeitsdienst und von den Nazis nur übernommen und ihren Zwecken gerecht wurde. Es geht um diese Nazis und diese Zwecke. Und eben die werden noch heute so zäh und erbittert verteidigt, dass es Schrecken verbreitet.' Sybil Gräfin Schönfeldt

Sybil Gräfin Schönfeldt, geboren 1927, ist promovierte Germanistin und Kunsthistorikerin und arbeitete lange als Redakteurin und freie Journalistin, u. a. für DIE ZEIT und das ZEIT-Magazin. Sie schreibt und übersetzt zahlreiche Bücher für Kinder und Erwachsene und wurde u. a. mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis und dem Europäischen Jugendbuchpreis ausgezeichnet. Gräfin Schönfeldt lebt in Hamburg. Bei ebersbach& simon zuletzt erschienen: Von Frauen und Katzen, Astrid Lindgren und Bei Fontane zu Tisch.

Abends vorm Einschlafen Papiergeknister in allen Betten. Briefe von daheim, die noch einmal gelesen wurden. Licht aus und Gedanken zwischen Angst und Heimweh: Wie mochte es zu Hause wirklich gehen? Alle Nachrichten waren längst überholt, wenn sie im Lager ankamen. Immer also die Sorge: War ein Angriff gewesen? Sind sie noch am Leben?

Und immer war die Nacht zu kurz, aber das Schlimmste war der Frühdienst.

Wecken um halb fünf, noch benommen von schwerer Müdigkeit durchs leere, dunkle, eiskalte Haus in die finstere Küche, die im elenden Licht ihrer trüben Birne wie die Vorhölle wirkte.

Sie waren immer zu dritt. Eine Führerin und zwei Maiden.

Eine Maid füllte die Aluminiumtöpfe mit Wasser für den Muckefuck. Die Führerin machte das Frühstück zurecht. Brot mit Butter und Marmelade, manchmal auch mit Quark. Am Wochenende wurde aus Marmelade und Margarine eine Creme gerührt, und jede Maid bekam einen rosa Klacks auf den Teller gelöffelt und konnte ihn sich auf so viele Brötchen verteilen, wie es gab oder wie sie erwischte. Das Cremerühren war die einzig beliebte Arbeit in der Küche, denn wenn man geschickt war, konnte man sich dabei satt schlecken.

Am unbeliebtesten war das Feuermachen. Zuerst die kalte Asche aus der Herdstelle kratzen, dann aus gehamstertem Kleinholz, Kohlenanzündern und Kohlen eine Pyramide bauen, das Holz anzünden und pusten und beten, dass das Holz nicht fröhlich zerknisterte, ehe die Anzünder, die in Friedenszeiten vielleicht funktioniert haben mochten, Feuer gefangen hatten und ihrerseits die kalten schweren Kohlenbrocken in Glut setzten. Pusten und Klappe zu, Zugschieber auf, warten, auf das Knistern lauschen, vorsichtig nachschauen, etwas vom kostbaren Holz nachschieben, wieder pusten. Dann schon die ung