Ich sehe Elvezia. Das Haar grau, nach hinten gekämmt und mit Haarspray fixiert, eng zusammenliegende, funkelnde Augen, hervortretende Halsadern. Sie trägt einen dunklen, knielangen Rock, Wollstrümpfe und Zoccoli. Sitzt krumm am Tischende. Ich sehe auch die Tante und ihren Mann dort in der Stube vor der Anrichte stehen. Sie ist schwarz angezogen. Auf ihrer Mischlingshaut glänzt Gold. Er trägt ein helles Hemd und hat eine Glatze.
Alle blicken nach unten. Sie lächeln liebevoll. Blicken zu mir auf dem Teppich. Ob ich sitze oder liege, weiß ich nicht.
Vielleicht ist es auch nur ein Foto, vielleicht hat meine Mutter es aufgenommen.
Ich sehe die Gitterstäbe des Betts, die abgeblätterte Wand, das Zimmer im trüben Licht. Es ist stickig. Der Boden knarrt unter Elvezias Zoccoli. Sie trägt ein weißes, geblümtes Nachthemd. Tritt ans Bett, nimmt das weggestrampelte Duvet und deckt mich bis zu den Schultern zu. Ich sage nichts. Rolle mich auf die Seite, schiebe die Arme zwischen die Knie und warte.
Sie krault meinen Nacken. Das mag sie, sie mag es, meine Locken unter der Handfläche zu spüren. Ich hingegen mag es, mit den Fingern über ihren Handrücken zu fahren, dem Lauf ihrer Adern zu folgen, ab und zu vorsichtig draufzudrücken.
Die Umrisse und Farben entschwinden. Ich höre Elvezia:
»Dein Wille geschehe. Wie im Himmel so auf Erden …«
Gedämpft dringen ihre Worte zu mir, vielleicht weil ich den Kopf unter die Bettdecke gezogen habe oder weil ich allmählich einschlafe. Ich kann sowohl das Vaterunser als auch das Ave Maria. In Gedanken spreche ich mit:
»Wie auch wir vergeben unseren Schuldigern …«
Ich höre sie jeden Tag. Manchmal bittet mich Elvezia, sie mit ihr zusammen aufzusagen, oft sonntags vor dem Essen, oder sie spricht sie alleine, flüsternd und mit gesenktem Kopf.
»Und führe uns nicht in Versuchung …«
Ich höre, wie der Fußboden knarrt. Wie die Bettfedern quietschen. Elvezia