von Mechthild Baumann
Es ist ein frostklarer Nachmittag in Berlin. Die Sonne scheint, der Himmel strahlt in seinem schönsten Blau und doch ist der Blick auf Professor Nehoda vernebelt von Stein- und Zementstaub. Der Wissenschaftler wartet vor einem Nebengebäude der Humboldt-Universität unter einem Baugerüst. Er hat die Arme um seinen Oberkörper geschlungen, die Schultern bis hoch zu den Ohren gezogen und tritt von einem Fuß auf den anderen. Gerade in Berlin kann es eisig kalt sein, der Wind tut sein Übriges und weht uns, bevor meine Kollegin und ich ihn begrüßen können, eine große Staubwolke und den Lärm eines Presslufthammers entgegen. Wir schütteln kurz die Hände und schon schiebt Nehoda uns durch eine alte, schwere Holztür ins Innere des Gebäudes. Erst im Inneren des großzügig gestalteten Foyers, aus dessen Zentrum sich eine rote Marmortreppe elegant nach oben schwingt, wird klar, dass wir uns in einem historischen Gebäude befinden. Der architektonische Eindruck des 18. Jahrhunderts wird jedoch schnell überlagert vom Geruch der neueren Geschichte. Noch 30 Jahre nach der Wende riecht es hier nach DDR, ein wenig verstaubt. In einem knarzigen, windschiefen Aufzug zuckeln wir dicht aneinandergedrängt in das oberste Stockwerk.
Durch einen verwinkelten, dunklen Gang gelangen wir schließlich in Doktor Nehodas Büro, das er sich mit seinem 86 Jahre alten Doktorvater teilt. Wer Klischees über Wissenschaftler sucht, der findet sie hier, in diesem kleinen Eckzimmer, das vom Boden bis unters Dach mit Büchern, Papieren und Aktenordnern vollgestopft ist. Ein betagter Professor mit schlohweißem Haar und akkurat schief sitzender Baskenmütze empfängt uns herzlich und „verzieht sich“ sogleich, um uns Platz zu schaffen in seinem „Refugium“. Nicht jedoch, ohne uns stolz