: Marie Aubert
: Erwachsene Menschen
: Rowohlt Verlag Gmbh
: 9783644007055
: 1
: CHF 10.00
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 176
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
«Erwachsene Menschen» ist ein Sommer- und ein Familienroman, eine Geschichte über die Rivalität zwischen Schwestern, Torschlusspanik und unerfülltem Kinderwunsch. Es erzählt von jenen, die wir am meisten lieben - und dem, was wir ihnen antun, wenn wir nicht kriegen, was wir wollen. Ida ist Architektin, kinderlos und in der Blüte ihrer Jahre, aber «die Uhr tickt». Sie hat schon begonnen, die Möglichkeit «etwas einzufrieren» in Betracht zu ziehen. Für später. Wirklich, nur zur Sicherheit. Falls sie doch noch den Richtigen trifft und der auch Kinder will. Aber jetzt ist erstmal Sommer. Ida und ihre Familie - ihre Mutter, deren Lebensgefährte, Idas Schwester Marthe mit Mann und Stieftochter - treffen sich in ihrem Sommerhaus vor der Küste, um Mutters Geburtstag zu feiern und ein paar schöne, gemeinsame Tage zu haben. In dieses Idyll platzt Marthe mit einer phantastischen Nachricht: Sie ist schwanger, nach Jahren erfolgloser Versuche, und so glücklich. Wenig später eröffnet die Klinik in Göteborg Ida telefonisch, sie sei für eine Eizellenentnahme leider «zu spät» dran. Ausgerechnet in dem Moment, in dem Marthe Ida ihr Familienglück unter die Nase reibt, zerplatzt deren Traum. Enttäuscht und verletzt fängt Ida an, Marthes Idyll zu untergraben...

Marie Aubert, geboren 1979 in Oslo, debütierte 2016 mit dem Erzählband «Kann ich mit zu dir», der in Norwegen zum Bestseller avancierte und von der Presse gefeiert wurde, ebenso wie «Erwachsene Menschen», ihr erster Roman.

Ich werfe einen Blick aufs Handy, keine verpassten Anrufe mit der Ländervorwahl 0046. Kristoffer nimmt die Kurven zu schnell, mir ist schlecht, und ich versuche, die halbvolle Fantaflasche und die leere Chipstüte auf dem Boden neben meinen Füßen zu ignorieren. Er ist dicker geworden, hat vollere Wangen, ich überlege, ob Olea und er heimlich naschen und Limonade trinken, wenn Marthe nicht dabei ist; seine Arme sind gebräunt. Marthe schrieb mir, dass sie anfangs gutes Wetter gehabt hätten, sie wären mehrmals zum Baden zu den Inseln rausgefahren, aber jetzt sei es eher wechselhaft, deshalb habe ich sowohl meinen Bikini als auch einen Wollpulli eingepackt.

«Wann kommen Mama und Stein?», frage ich.

«Morgen», antwortet er. «Eigentlich nicht schlecht, dass wir heute Abend noch unter uns bleiben. Marthe ist nicht so ganz fit.»

«Na, großartig», sage ich.

«Du weißt doch, wie das ist», sagt Kristoffer und kratzt sich den Bart. «Die Hormone.»

Er sagt das, als wäre es ganz naheliegend,du weißt, wie das ist, obwohl er doch weiß, dass ich gar nichts weiß, und trotzdem sage ichpuh, ja.

«Arme Marthe», sage ich, verschränke die Arme so, dass meine Finger die nassen Achselhöhlen streifen, versuche, unauffällig herauszufinden, ob ich nach Schweiß rieche.

Sie haben es drei Jahre lang immer wieder versucht, schon seit sie sich kennen. Marthe hatte zwei Fehlgeburten. Sie schafft es einfach nicht, den Mund zu halten, ich war stets ebenso gut informiert wie sie, wusste, wann sie ihre Tage hatte, wann der Eisprung kam. Immer wenn wir uns sehen, reden wir darüber, immer wenn wir Mama sehen, redet Marthe darüber und weint, erzählt, dass sie es nicht mehr aushalte, dass sie nicht länger nur Stiefmutter sein will,aber Marthe, kein Mensch benutzt heute noch das Wort Stiefmutter, sagt Mama dann und streichelt ihr den Rücken,das heißt Bonusmama, Bonus, erwidert Marthe,es ist doch verdammt noch mal kein Bonus, dass er ein Kind hat und ich nicht, aber das wird schon noch werden, sage ich, und streichle ihr ebenfalls den Rücken, sowohl Mama als auch ich sagen, das werde schon noch werden, jedes Mal,aber wann ist dieses schon noch denn endlich, schreit Marthe. Manchmal erzähle ich meinen Kollegen beim Mittagessen von meiner kleinen Schwester, die sich so einen Stress damit mache, Kinder zu bekommen, ich sage, dass ich nicht verstehen würde, wo sie die Energie hernehme, es müsse doch noch andere Dinge im Leben geben, als es die ganze Zeit zu probieren.

Als wir an das Ferienhaus kommen, richte ich mich im Sitz auf.

«Habt ihr gestrichen?», frage ich.

«Ja», antwortet Kristoffer. «Na ja, um ehrlich zu sein, vor allem ich. Ist es nicht schön geworden?»

«Doch», sage ich. «Total schön.»

Sie haben das Haus weiß gestrichen. Es ist immer gelb gewesen, das gelbe Haus, so habe ich es den Leuten immer gesagt, das gelbe Haus gehört uns. Jetzt sieht es aus wie alle anderen Häuser hier, gewöhnlich.

Kristoffer nimmt meine Reisetasche. Ich sage, ich würde das auch allein schaffen, ich bin ja nicht wie Marthe, die will, dass Kristoffer ihr bei allem hilft, aber Kristoffer sagtist schon okay und trägt sie weiter. Olea springt vor uns her, über den Kies und den gepflasterten Gartenweg an der Hecke entlang. Sie rennt immerzu, als würde hinter der nächsten Ecke etwas Lustiges auf sie warten. Als ich klein war, bestand die Hecke noch aus dichter, dunkler Thuja, aber Mama hat sie vor ein paar Ja