Harry Gmür, der Unbeirrbare
Vorwort von Jean Ziegler
Im dänischen Exil 1938 verfasste Bertold Brecht das StückLeben des Galilei. In der 13. Szene sagt der Arbeiter Andrea: »So viel ist gewonnen, wenn nur einer aufsteht und sagt›nein!‹« … Harry Gmür war ein Dissident. Wie Peter Surava, Konrad Farner, Carl Albert Loosli und einige wenige andere.
Dissidenten zahlen in der Schweiz einen hohen persönlichen Preis: Sie werden verunglimpft, verleumdet, zensuriert und von Regierung und Behörden in jeder möglichen Form belästigt und verfolgt. Harry Gmür hat dieses Schicksal seit den späten 1930er-Jahren bis zu seinem Tod 1979 erduldet. Harry Gmür war ein brillanter Schriftsteller, ein kluger politischer Analytiker und seit den frühen 1940er-Jahren ein prinzipientreuer Kommunist. DieReportagen von links sind Zeitdokumente von höchster Wichtigkeit und Aktualität. Die Herrschaftsklassen der Schweiz werden mit ihrer historischen Verantwortung konfrontiert. Harry Gmür hat den Kampf für Gerechtigkeit, Transparenz und Wahrheit nie aufgegeben. Eine wahrscheinlich entscheidend wichtige Rolle dabei spielte zeitlebens seine Gattin Gena, die mit kritischer Intelligenz sein Schaffen begleitete und die Familie vor den schlimmsten Verfolgungen schützte.
»Seul est libre qui use de sa liberté« (»Frei ist nur, wer seine Freiheit nutzt«), sagt Voltaire. Harry Gmür war zeit seines Lebens ein freier, radikal unabhängiger Geist.
Nikolai Bucharin, der junge Bolschewik, der Lenin am nächsten stand, schreibt: »Die Demokratie ist die Staatsform des Bürgertums, wenn es nicht Angst hat, die Diktatur, wenn es Angst hat.«
Jahre vor der Machtergreifung wurde Adolf Hitler von der Familie Wille und anderen Großaktionären der Schweizerischen Kreditanstalt (später Crédit Suisse) in Zürich empfangen. Niklaus Meienberg hat die frühzeitige finanzielle Unterstützung der Nazi-Monster durch helvetische Kapitalisten dokumentiert. Die schweizerischen Herrschaftsklassen und der Bundesrat näherten sich im Verlauf der späten 1930er-Jahre immer deutlicher den Achsenmächten an. Ein Gräuel für Harry Gmür! Die faschistischen Sympathien des Bundesrates zeigten sich besonders deutlich in zwei Momenten:
Das erste Moment: Im Spanischen Bürgerkrieg standen die Sympathien des Bundesrates eindeutig aufseiten der aufständischen Faschisten. Über 800 junge Schweizer, meist Angestellte und Arbeiter, kämpften in den internationalen Brigaden für die Verteidigung der Republik. Bei ihrer Rückkehr in die Schweiz wurden viele der Überlebenden zu teils schweren Gefängnisstrafen verurteilt wegen »Dienst in fremden Armeen«. Schweizerische Angehörige der Waffen-SS wurden dagegen kaum belangt. Erst 25 Jahre nach Gmürs Tod wurde dieser Skandal gesühnt. Die parlamentarische Initiative des damaligen Nationalrates (heute Ständerat) Paul Rechsteiner von 2009 zwang den Bundesrat per Gesetz, die Unrechtsurteile aufzuheben.
Das zweite Moment: Außenminister Giuseppe Motta war ein Verehrer von Benito Mussolini. Nach dem italienischen Gasangriff auf Addis Abeba 1936 und den nachfolgenden Massakern in Wollo un