1. KAPITEL
„Bitte, Mylord, wir würden so gerne Weihnachten im Schloss verbringen. Es ist doch unser Zuhause. Wir möchten es noch einmal sehen, bevor es verkauft wird. Wir fallen Ihnen auch bestimmt nicht zur Last. Oh, bitte, Mylord.“
Mylord. Ein eindrucksvoller Titel, an den Angus weder gewöhnt war noch sich gewöhnen wollte. Nur so kurz wie möglich wollte er der Lord von Craigie Castle sein.
Aber hier ging es um seine Halbgeschwister aus der zweiten gescheiterten Ehe seines Vaters. Diese Kinder lebten immer noch in ärmlichen Verhältnissen.
„Meiner Mutter geht es nicht gut“, fuhr Ben fort, als seine Bitte nicht sofort auf Ablehnung stieß. „Sie kann uns nicht bringen. Mary ist dreizehn und vermisst die Dachse. Wilde Tiere gibt es nicht in London. Polly ist zehn und hat immer Verstecke im Schloss gebaut. Und ich … meine Freunde leben in Craigenstone. Ich habe in einer Band gespielt. Ich würde so gerne mal wieder mitspielen, gerade an Weihnachten … Mutter ist so krank. Und es ist so schrecklich hier. Es wäre einfach …“
Der Junge verstummte, und Angus hörte ein tiefes Seufzen am anderen Ende der Leitung. Dann fasste Ben sich noch einmal ein Herz. „Bitte. Sie brauchen sich um nichts zu kümmern. Nur dieses eine letzte Mal, damit wir uns richtig verabschieden können. Bitte, Mylord …“
Angus war ein nüchterner Geschäftsmann aus Manhattan, der eine der weltweit führenden Fondsgesellschaften leitete. Er war mit Sicherheit gegen Betteleien immun. Aber ein sechzehnjähriger Junge, der für seine Geschwister bettelte …
Damit wir uns richtig verabschieden können … Warum waren sie vor drei Jahren nur so rasch ausgezogen? Er hatte keine Ahnung, aber er kannte den schrecklichen Ruf seines Vaters und konnte sich die Umstände zusammenreimen.
Wenn er jedoch zustimmte … was fing er mit einer Gruppe Kinder und ihrer kranken Mutter an? Sollte er das Schloss länger behalten als geplant? DenLord an Weihnachten spielen? Angus stand in der riesigen, zugigen Eingangshalle des Schlosses. Alles sprach dagegen.
Angus hatte die finanzielle Lage des Schlosses geprüft; er hatte die verzweifelten Briefe gelesen, die die Mutter der Kinder an den Earl geschickt hatte. Wie krank sie war, wie sehr die Kinder Unterstützung brauchten. Nach den Büchern zu urteilen, hatte sein Vater nichts unternommen. Diese Familie musste durch die Hölle gegangen sein.
„Wenn ich Personal finde, das sich um euch kümmert“, hörte er sich sagen.
„Mutter macht das. Bestimmt …“
„Deine Mutter ist krank, hast du doch gerade gesagt. Seitdem sie vor drei Jahren mit euch weggegangen ist, ist hier nicht mehr geputzt worden. Wenn ich jemanden finde, der für uns kocht und diesen Ort wieder bewohnbar macht, könnt ihr kommen. Sonst nicht. Aber ich verspreche dir, dass ich mein Mögliches versuchen werde.“ Damit beendete er das Telefonat.
Angus Stuart war ein Mann, der sein Wort hielt, obwohl er nie Weihnachten feierte. Dieses Fest war etwas für Familien, und Lord Angus McTavish Stuart, achter Earl of Craigenstone, hatte keine Familie. Sein einziger Versuch, eine zu gründen, war gescheitert.
Außerdem war Craigie Castle kein Familienheim und er hatte nicht vor, eines daraus zu machen. Aber für einen bittenden Jungen … für eine bedürftige Familie …
Vielleicht ausnahmsweise. Weil Weihnachten war.
Köchin / Haushälterin für drei Wochen ab sofort gesucht. Persönliche Vorstellung in Craigie Castle erwünscht.
Die Stellenanzeige hing im Schaufenster des winzigen Kramladens in Craigenstone. Die auf Pergamentpapier geschriebene Annonce mit Lord Craigenstones Wappen fiel sofort ins Auge.
Köchin / Haushälterin … Vielleicht …
„Das wäre doch was“, überlegte Holly laut, aber ihre Großmutter schüttelte heftig den Kopf.
„Im Schloss? Du müsstest fü