KAPITEL 2
Vielleicht ist es sogar eine Afrana-Nähmaschine
17. Januar 1903 – In Peking wird ein Denkmal für den ermordeten Diplomaten Clemens von Ketteler eingeweiht.
27. März 1907 – In Berlin öffnet das riesige KaDeWe, das Kaufhaus des Westens, seine Pforten.
12. Januar 1912 – Die SPD wird mit 35 Prozent bei den Reichstagswahlen stärkste Fraktion.
28. Juni 1914 – Franz Ferdinand von Österreich wird in Sarajevo von Gavrilo Princip ermordet.
27. September 1917 – Der Unternehmer Alwin Bauer erwirbt für 1,9 Millionen Mark Schloss Weesenstein.
Am 5. Mai des Jahres 1900 ist es so weit: Emil Grunewald heiratet Hedwig Paul. Sie wird 1872 als Tochter des Fabrikantenehepaars Ernst und Johanna Paul geboren (Abb. 3). Emil kennt das Mädchen schon seit der Grundschule, aber er scheut sich lange, ihr seine Liebe zu gestehen. Das liegt sicher auch am Standesunterschied. Emils Vater, der kleine Gemüsegärtner, steht für den Bauernstand. Als Besitzer einer Firma, die sich auf die Fabrikation von Stoffen verlegt hat, ist Hedwigs Vater jedoch ein Angehöriger des Bürgertums.
Um die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts erkennt auch Familie Paul die Möglichkeiten, die ihr die industrielle Revolution bietet. Hedwigs Großvater investiert in moderne Webstühle und kauft eine Dampfmaschine. Es entsteht eine kleine Fabrik, in der fünfzehn Menschen Arbeit finden. Die Familie kann sich einen gewissen Wohlstand erlauben und bewohnt ein Haus an einem ruhigen Plätzchen am Ortsrand von Seifhennersdorf. Emil weiß nicht, ob er Hedwig denselben Lebensstandard wird bieten können. Doch nachdem er sein Abschlusszeugnis vom Lehrerseminar Löbau schon einige Zeit in der Tasche hat, fasst er sich ein Herz. Er ist überrascht, dass Hedwig seine Zuneigung gleich erwidert. Sie werden ein Paar und beginnen Pläne für eine gemeinsame Zukunft zu schmieden.
Bevor diese Zukunft aber mit einer Hochzeit besiegelt wird, vergehen noch gut acht Jahre. Für ein Leben als Familienvater muss Emil auf eigenen Beinen stehen. Deshalb ist es kein Zufall, dass er gleich nach dem Ende seines ersten Schuljahrs in Meißen heiratet. Die feste Stelle am Franziskaneum sichert ihm nicht nur beruflichen Erfolg und Sozialprestige, sondern legt auch die materielle Basis für eine eigene Familie. Emil feiert Hochzeit, als er schon fast dreißig ist. Das mag spät erscheinen, war allerdings in dieser Zeit nicht ungewöhnlich. Weil Männe