Madame Vauquer, geborene de Conflans, ist eine alte Frau, die seit vierzig Jahren in Paris, und zwar in der Rue Neuve-Sainte-Geneviève, zwischen dem Quartier Latin und dem Faubourg Saint-Marceau, eine Familienpension leitet. Diese unter dem Namen Haus Vauquer bekannte Pension beherbergt Männer wie Frauen, Jünglinge und Greise, ohne dass bisher die geringste üble Nachrede über die Moral dieses achtbaren Unternehmens laut geworden wäre. So hatte man denn auch dreißig Jahre hindurch kein junges Mädchen in dem Hause gesehen, und wenn ein junger Mann dort mietete, so geschah es nur deshalb, weil er nur einen überaus schmalen Wechsel erhielt. Im Jahre 1819 jedoch, zur Zeit, wo unser Drama beginnt, wohnte in dem Hause ein armes junges Mädchen. Der Begriff ›Drama‹ ist nun zwar durch den Missbrauch, den unsere heutige, auf die Tränendrüsen wirkende Literatur mit ihm getrieben hat, in Verruf geraten: Trotzdem muss man ihn hier aber anwenden. Nicht weil etwa unsere Geschichte im eigentlichen Sinne des Wortes dramatisch wäre. Aber wenn wir an ihrem Ende stehen, wird man doch vielleicht einige Tränen vergossen haben:intra muros et extra, das heißt also nicht nur hier in Paris, sondern auch in der Provinz. Wird sie außerhalb von Paris aber verstanden wer