Einleitung
Obst und Gemüse schmecken nicht nur unglaublich gut, sondern vermitteln auch das leichte Lebensgefühl, das den Alltag von heute so viel angenehmer macht. Und gesund ist all das, was die Erde uns schenkt – ob Wurzeln, Knollen, Kräuter, Blätter, Blüten oder Früchte –, noch dazu! Sosehr unter Experten und Expertinnen in Sachen Ernährung auch gestritten wird, einig sind sich alle, dass die untersten Stufen in der Ernährungspyramide aus Wasser, Gemüse, Obst und (Voll-)Getreide bestehen sollten. Nur ob tierische oder pflanzliche Eiweiße und Fette an die Spitze gehören – und wie viel davon –, wird diskutiert.
Tatsächlich essen immer mehr Menschen bewusst und viele ausschließlich pflanzliche Lebensmittel. Allein in Deutschland ernähren sich rund1,3 Millionen Menschen vegan. Auch global ist der vegane Trend zu erkennen. Die Anzahl der vegan/vegetarisch lebenden Menschen wird weltweit auf eine Milliarde geschätzt.
Die Neugierde auf neue Rezepte und neue pflanzliche Lebensmittel richtet den Blick öfter auch auf aufregende und unbekannte Lebensmittel, die durchaus von weiter weg kommen können: Der Quinoasalat oder Guacamole zum Grillabend sind Normalität. Avocado wird zum Butterersatz, Chia-Samen dicken vegane Puddinge an, Superfoods wie Goji- oder Acaibeeren wandern ins Müsli, Spirulina und Chlorella oder Macapulver verzaubern Smoothies und versprechen besondere Vorteile für die Gesundheit.
Auch die Wirtschaft reagierte schnell auf den veganen Trend: Neue Fertigprodukte boomen, Beyond Meat (ein innovativer Hersteller von Fleischalternativen) ging an die Börse, vegane Kochbücher haben Hochkonjunktur, Veggie-Messen platzen aus allen Nähten, Cellbased Meat (Laborfleisch aus Tierzellen) sowie3-D-gedrucktes Fleisch werden in Mainstream-Medien diskutiert. Und so scheint eigentlich alles gut in der eigenen, pflanzlich-gesunden Küche. Der Salat wird jetzt mit Granatapfelkernen oder Kakifrucht dekoriert, und jeden Tag freut man sich darüber, dass Ingwer und Gelbwurz (Kurkuma), Agavendicksaft, Mango und Papaya, Quinoa und Kokosöl ein wenig Urlaub in den Alltag bringen.
Alles richtig gemacht, denkt man, bis die ersten kritischen Berichte kommen. Man hört, vielleicht in einem Gespräch mit Freunden, dass Avocados echte Wasserkiller seien oder der Boom um Chia-Samen dazu geführt hätte, dass die südamerikanischen Bauern schlecht bezahlt würden. Nach und nach kommen die Fragen und die Verwirrung. Und plötzlich fragt man sich: Darf ich jetzt noch Avocados essen? Oder Chia-Samen? Oder Ananas?
Gerade als die Klimadiskussion immer breiter geführt wurde, entwickelten viele von uns den Wunsch, bei der Ernährung nicht nur an die eigene Gesundheit zu denken, sondern den Blick wieder zu weiten, um den Rest der Menschheit, andere Lebewesen und die Nachwelt in das eigene Handeln einzuschließen – auch wenn dies eine freiwillige Selbstbeschränkung bedeutet. Viele Menschen wollen mehr Verantwortung übernehmen. Man kann heute in der industrialisierten Welt so ziemlich alles tun und ist völlig frei, jeden Tag Fleisch oder exotische Lebensmittel zu essen – man muss es aber nicht. Und vielleicht will man es auch einfach nicht. In unserer von Wachstum und dem Streben nach »mehr« geprägten Welt ist eine solche Entscheidung gegen den Konsum bestimmter Lebensmittel schlichtweg revolutionär.
Die Selbstbeschränkung, den Rückzug, die Entdeckung der ruhigeren Häuslichkeit haben wir alle im Jahr 2020 selbst erfahren, zwangsläufig. Nie wurde so wenig geflogen, so viel zu Hause gekocht und die »Heimat«-Region entdeckt oder qualitative Zeit mit dem engsten Kreis verbracht. Das »Weniger« hat uns alle verbunden.
Wir entdecken das Regionale, die Umgebung, den Garten, die Küche. All das fühlt sich nicht mehr an wie eine vernünftige, aber schmerzhafte Einschränkung. Nein, wir entdecken das und lernen neu schätzen, was vor der eigenen Haustür liegt. Es boomen sogar Edelrestaurants wie eines in Berlin, das sich selbst »brutal lokal« nennt und – so heißt es – freiwillig den Pfeffer mit einem scharfen regionalen Pilz auswechselt. Diese Entdeckungen, auch in kulinarischer Hinsicht, sind jedoch gleichzeitig die Tür zu einem verantwortungsbewussten, nachhaltigen, klimafreundlichen Leben.
Auf die große Politik können wir nicht warten. Aber jeder von uns hat den Schlüssel in der Hand, selbst etwas beizutragen. »Think global,