I
Germania Magna, Frühjahr A.D. 41
Thumelicaz beobachtete, wie drei Krieger zu Pferde sich von Westen näherten. Am anderen Rand des Tals, etwa eine halbe Meile entfernt, ritten sie den Hang hinunter. Sie suchten sich ihren Weg am Rand eines gepflügten und eingesäten Feldes, einerRode, die frühere Generationen in schweißtreibender Arbeit aus dem umgebenden Wald geschlagen hatten. Im Tal angekommen, machten die Reiter einen Bogen um eine sumpfige Fläche am Ufer eines Flusses, der in einen schilfgesäumten See mündete. Eine sanfte Brise kräuselte die Oberfläche, die in der sinkenden Sonne silbern und golden funkelte – ein scharfer Kontrast zu den mit Koniferen bestandenen Bergen, die das Tal umgaben. In der warmen Luft lag der süßliche Geruch vom Harz all der Bäume, dem diese hohe Bergkette im Herzen der Germania Magna ihren Namen verdankte: In der Sprache des Stammes der Cherusker hieß sieHarzland – das Land des Harzes.
Dass bewaffnete Männer nahten, beunruhigte Thumelicaz und seine Leute nicht weiter, denn die Fremden hatten als Zeichen ihrer friedlichen Absichten Buchenzweige mit frischem Laub an ihren Speerspitzen befestigt. Dennoch hatten die zwölf Männer, die in der kleinen Siedlung lebten, ihre Waffen aus dem Langhaus in der Mitte geholt und sich auf dem Wehrgang der umgebenden Palisade postiert. Einzig Thumelicaz blieb unbewaffnet, er stand im offenen Tor. Doch er war nicht schutzlos: Zu beiden Seiten von ihm standen zwei riesenhafte, kurzhaarige, gestromte Jagdhunde. Sie knurrten grollend, als die drei Reiter näher kamen.
Thumelicaz klopfte beiden Hunden auf die Schnauze. «Beißer, Reißer, still!» Die Hunde verstummten augenblicklich und schauten zu ihrem Herrn auf. Sie warteten ab, wie er auf die Neuankömmlinge reagierte, um dann seinem Beispiel zu folgen.
Thumelicaz blinzelte mit tiefliegenden Augen in die sinkende Sonne. Er rieb sich den Bart, der nunmehr so üppig spross, dass er fast die hohen Wangenknochen erreichte. Dann strich er mit einem Finger über seine schmalen, blassen Lippen, während er die drei Krieger forschend musterte. Sie waren nur noch hundert Schritt entfernt. Stirnrunzelnd sah Thumelicaz zu dem Mann auf, der zu seiner Linken auf der Palisade stand. «Chatten?»
Der Mann knurrte, dann nickte er. «Ja, Herr, sie tragen eiserne Halsreife. Fußsoldaten, die in vorderster Front kämpfen – die tapfersten unter ihren Kriegern.»
«Wie lange ist es her, dass Chatten sich zuletzt auf unser Gebiet vorgewagt haben, Aldhard?»
«Fünf Jahre. Es war in dem Jahr, bevor du zurückkehrtest, Herr. Aber damals kamen sie mit gezogenen Schwertern und blanken Speerspitzen. Wir stellten uns ihnen entgegen, als sie versuchten, den Visurgis zu überqueren. Es war ein harter Kampf, und wir verloren an jenem Tag zahlreiche Männer. Das Blutgeld für sie ist noch nicht gezahlt.»
Thumelicaz nickte. Er kannte die Lieder über den letzten Einfall der Chatten in das Gebiet der Cherusker in dem Jahr, bevor er das hölzerne Schwert errungen hatte. Dem Jahr, bevor er und seine Mutter den strapaziösen Weg über die Berge angetreten hatten, um aus Italien nach Germanien zu fliehen.
Die drei Krieger legten das letzte Stück über offenes Gelände in leichtem Galopp zurück. Zwanzig Schritt vor Thumelicaz brachten sie ihre Pferde zum Stehen und hielten ihre mit Laub verzierten Speere hoch in