PROLOG
Mai 1189: Das Komplott
»Jeden Einzelnen von ihnen kann ich zum Meuchelmörder machen«, brüstete sich Raschid ad-Din-Sinan. Gemeinsam mit Guido von Lusignan blickte er vom Balkon auf das lebhafte Treiben am Hafen von Tyrus hinunter, wo sich farbenprächtige Kapuzenmäntel, Kopftücher und Turbane mischten. Das Rattern der Fuhrwerke, der Lärm der Handwerker, das Quieken von Borstenvieh sowie die Rufe der Händler erfüllten das Gedränge in der regenfeuchten Meeresluft. »Sucht Euch jemanden aus.« Mit einer weiten Geste und wippendem weißem Spitzbart auf der Brust lud der fast sechzig Jahre alte Muslim den zwanzig Jahre jüngeren Christen ein.
Im selben Moment hoben unter ihnen am Hafen vier junge Edelfräulein ihre langen Kleider bis über die Knöchel, um die kostbaren Stoffe im breiigen Untergrund nicht zu sehr zu beflecken. Eine von ihnen, eine Rothaarige mit hüftlangem Lockenhaar, rief: »Oh! Aufpassen!«, tat einen Satz über eine Pfütze und lachte dabei.
Interessiert beugte sich der Herrscher der Assassinen, unter dessen schwarzem Turban ein wenig graues Haar hervorlugte, in seinem bodenlangen Kleid vor, sodass sich sein schwarzer Mantel über der Brust schloss.
Guido von Lusignan, der König der Christen im weitärmeligen Waffenrock, einen Umhang mit Pelzbesatz um die Schultern, den eine schwere Silberbrosche zusammenhielt, tat es ihm gleich. Das schulterlange, glatte Blondhaar fiel ihm dabei ins ebenmäßig geschnittene, von Sorgenfalten gezeichnete Gesicht.
Selbst wenn sie unterschiedlichen Glaubens und auf dem Schlachtfeld Gegner waren, vereinte diese beiden Herrscher eine Gemeinsamkeit: Sie schreckten vor nichts zurück, denn beide trieb die Gier nach Macht. Doch niemand, der sie an jenem Tag sah, ahnte, was der Orientale und der Abendländer im Schilde führten. Keiner wusste, wer der Weißbärtige war, der da oben mit stechenden Blicken wie ein Adler über seiner Beute kreiste. Sonst wären die Menschen, die da sorglos am Hafen ihres Weges gingen, wie die Kaninchen auf dem Felde vor Panik erstarrt, da der Schatten des Todes sie bereits streifte und es für jede Flucht zu spät war.
Zwar war jedem im Land der aufgehenden Sonne der Name des Oberhauptes der Ismailiten in Syrien bekannt, denn Raschid ad-Din-Sinan hatte die Gewohnheit, seine O