1. KAPITEL
„Wie sehe ich aus? Kann ich so die Gäste bedienen?“ Angela Malone drehte sich vor der Köchin der Sandbur-Ranch im Kreis und machte aus Spaß einen Hofknicks.
Nachdenklich musterte Cook ihre junge Küchenhilfe. „In dem kleinen Schwarzen siehst du wie eine Prinzessin aus, wenn du die Schürze abnimmst. Aber da wir heute Abend ein Barbecue servieren, solltest du sie lieber anbehalten.“
Angela lächelte nervös. Das sogenannte kleine Schwarze war nur ein schlichtes Baumwollkleid. Außerdem befürchtete sie, dass ihr ein Missgeschick unterlaufen könnte. Sie hatte zwar die letzten zwei Jahre imCattle Call Café gearbeitet und Erfahrung als Kellnerin gesammelt, aber gelegentlich war das Essen auf ihrer Kleidung statt auf dem Tisch gelandet, den sie gerade bediente.
Doch diese Zeiten waren hoffentlich vorbei. Sie war aufgestiegen, seit ihre Freundin Nicci Saddler Garroway ihr die Anstellung auf der Ranch in Südtexas verschafft hatte. Nun war sie die Assistentin der Köchin im sogenannten großen Haus, in dem die Matriarchin Geraldine Saddler und ihr Sohn Lex residierten. Außerdem überwachte sie die Arbeit der Zimmermädchen, erledigte Einkäufe und kümmerte sich im Allgemeinen um alle Arbeiten, die nicht von den Haushaltshilfen ausgeführt werden konnten.
„Wahrscheinlich hast du recht mit der Schürze“, überlegte Angela laut. „Aber ich möchte in Ms. Saddlers Augen präsentabel sein. Offensichtlich gibt sie heute ein richtig vornehmes Galadinner.“
Cook war groß, dünn und Anfang siebzig. Ihr schwarzes Haar wies nur vereinzelte Spuren von Grau auf, und sie pflegte sich die Lippen ebenso leuchtend rot zu bemalen wie die Fingernägel. „Sei nicht so nervös. Du hast in deinem Leben schon so viele Tische bedient.“ Sie rückte die Haarspange zurecht, die Angelas dichtes braunes Haar zurückhielt, und tätschelte ihr die Wange. „Hübsch wie ein Frühlingsmorgen. Geh die Appetithäppchen servieren, bevor Geraldine nachsehen kommt, warum wir so trödeln. Husch!“
„Ich bin schon unterwegs.“ Lächelnd nahm Angela das Tablett, stieß die Schwingtür mit einer Schulter auf und eilte den langen Korridor entlang, der in den vornehmen Salon führte. Der Duft von geräucherten Shrimps, fangfrisch aus San Antonio geliefert, wehte ihr vom Tablett in die Nase und machte ihr bewusst, dass sie seit dem Frühstück um fünf Uhr früh nichts gegessen hatte.
Wegen der Dinnerparty hatte sie schon den ganzen Tag lang alle Hände voll damit zu tun, bei der Zubereitung unzähliger raffinierter Gerichte zu helfen und darauf zu achten, dass alle Räume von den Hausangestellten gesäubert und mit frischen Blumen versehen wurden.
Als sie sich dem Salon näherte, hörte sie Stimmengewirr und Gelächter. Im Hintergrund ertönte Countrymusic. Im Geist summte sie die Melodie mit und malte sich aus, den Walzer in den Armen eines netten Mannes zu tanzen, den es nicht kümmerte, dass sie alleinerziehende Mutter war.
Sie verdrängte diese Wunschvorstellung, holte tief Luft und betrat den Salon, der bereits voller Gäste war.
Vorsichtig bahnte sie sich einen Weg zu dem langen Tisch, der in der Nähe der Bar gedeckt war. Gerade wollte sie das Tablett zu den anderen Vorspeisen stellen, da ertönte hinter ihr Geraldines Saddlers Stimme. „Angie? Wenn das die Shrimps sind, dann bringen Sie sie bitte hierher. Auf dem Couchtisch ist genügend Platz.“
Angela machte kehrt und durchquerte den Raum bis zur Mitte, wo ein Sofa und mehrere Polstersessel um einen niedrigen Tisch gruppiert standen. Vorsichtig stellte sie das Tablett auf das polierte Eichenholz.
„Diese Shrimps müssen Sie unbedingt probieren, Jubal“, drängte Geraldine. „Sie zergehen auf der Zunge.“
Angela erstarrte. Ihr Herz klopfte wild.Es kann nicht sein, dass ausgerechnet er der neue Tierarzt hier und der Grund für diese Party ist! Widerstrebend hob sie den Kopf, und dann starrte sie in das Gesicht, das sie seit fünf Jahren verzweifelt zu vergessen versuchte.
Jubal. Sie wusste nicht, ob sie den Namen flüsterte oder nur mit den Lippen formte. Auf jeden Fall spürte sie das Blut in den Kopf schießen und hörte ein lautes Rauschen in den Ohren.
Sie sah einen erschrockenen Ausdruck über sein Gesicht huschen, aber sie wartete nicht ab, ob er zu ihrer Bekanntschaft stehen wollte. Hastig entschuldigte sie sich bei Geraldine und floh förmlich aus dem Raum.
Völlig außer Atem erreichte sie die Küche. Ihre Knie fühlten sich so weich an, dass sie nur noch auf einen Stuhl sinken konnte.
Cook eilte zu ihr. „Mädchen, was hast du denn? Du siehst aus, als müsstest du dich übergeben.“
Angela rang nach Atem und wischte sich