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SAMSTAG, 24.10.
»Es kann doch nicht sein, dass es auf dem ganzen Campus kein einziges freies Zimmer gibt! Vielen Dank für IhreHilfe.« Manchmal wünsche ich mir, es gäbe noch Telefone, bei denen man den Hörer aufs Gerät knallen kann wie in alten Filmen. Das »Beenden«-Feld zu drücken ist nicht annähernd so befriedigend. Nicht einmal, wenn ich so fest drauftippe, dass mein ganzer Finger wehtut.
Tylers Lachen schwebt durch den Raum. »Ich liebe dein Feuer, Cara.«
An seinen Grübchen kann ich sein breites Grinsen selbst von schräg hinten erkennen. Und das trotz seines Dreitagebarts. Er lungert wie fast immer auf der Couch herum, während ich voller Verzweiflung über meine Wohnsituation beim täglichen Abtelefonieren meiner Liste kaum eine Sekunde stillstehen kann.
Nun dreht er sich zu mir um, schiebt den Arm lässig auf die Rückenlehne und legt den Kopf darauf, sodass ihm ein paar gewellte Strähnen ins Gesicht fallen, hinter denen er zu mir aufsieht.
»Gib auf, Cara«, sagt er mit sanfter Stimme und einem Blick, der vermutlich jedes weibliche Wesen aufseufzen ließe. Zumindest alle, die nicht wie ich völlig verzweifelt nur eines im Kopf haben: ein bezahlbares Zimmer. Was in Whitefield aber vermutlich ein genauso unrealistischer Wunsch ist wie das Einhorn damals zu meinem sechsten Geburtstag.
»Hör auf, meinen Teppich durchzulaufen, und setz dich zu mir.« Tyler klopft neben sich auf das schwarze Leder und schafft es mit seinem Dackelblick, dass ich seufzend die Couch umrunde.
»Den Tag kann ich streichen.« Ich lasse mich neben ihn fallen.
Tyler rückt sofort näher und legt seinen Arm um mich. Dankend lehne ich den Kopf an seine Schulter.
»Du weißt, dass du dir den ganzen Stress sparen könntest. Mein Angebot gilt. Du kannst mein Zimmer haben und ich schlafe auf der Couch.«
»Mir fallen immer noch eine Menge Gründe ein, warum das eine schlechte Idee ist«, erwidere ich.
»Einen davon kannst du streichen.«
Ich rücke von ihm ab und schaue ihm in die braunen Augen.
»Dass du mich nicht kennst«, sagt er, als hätte ich selbst darauf kommen müssen.
»Ich kenne dich immer noch nicht gut genug, um mit dir zusammenzuwohnen«, erwidere ich mit einem Lächeln.
Tyler hat mir dieses Angebot tatsächlich schon bei unserer ersten Begegnung in der Wohnheimverwaltung gemacht, als ich Mrs Carson schon fast auf Knien angefleht habe, ein Zimmer herbeizuzaubern. Vergeblich natürlich, sonst wäre mein Problem ja gelöst. Als wir uns später wieder zufällig über den Weg gelaufen sind, kam er gleich wieder darauf zu sprechen.
»Außerdem war das nur einer der Gründe. Es gibt nicht umsonst Wohnheime für Frauen und Wohnheime für Männer.«
»Das wäre kein Problem. Für mich würde man sicher eine Ausnahme machen. Mein Dad könnte …«
Ich schüttele hastig den Kopf. So etwas will ich auf keinen Fall. Mir ist inzwischen bewusst, dass sich Tyler bei jedem Problem an seinen Dad wenden kann, aber ich will nicht diejenige sein, auf die mit dem Finger gezeigt wird, nur weil ein ehemaliger britischer Botschafter beim Dekan angerufen hat, damit er für mich eine Ausnahme macht.
»Ich schaffe es ohne Hilfe.«
Tyler zieht mich wieder an sich und massiert mir die Schulter. Seine Bartstoppeln streifen über mein Haar, als er den Kopf schüttelt. »Du bist völlig überarbeitet. Das Studium, der Job im Diner, die lange Fahrtzeit …«
»Vergiss nicht die tägliche Parkplatzsuche«, füge ich der endlosen Liste an Gründen hinzu, die eigentlich für die Annahme seines Angebots sprechen.
»… die tägliche Parkplatzsuche«, wiederholt er. Inzwischen zählt er die Gründe an seinen für England viel zu gebräunten Fingern ab. »Und dann noch dein Job in der Redaktion. Es ist zu viel, Cara. Das hältst du nicht mal ein Trimester durch.«
Während ich nur daran denken kann, was passieren würde, wenn ich krank werde, versucht Tyler, meine Sorgen mit kleinen gemalten Kreisen in meinem Nacken zu vertreiben. Mit einem wohligen Seufzen senke ich das Kinn auf die Brust und ein dichter Vorhang kupferroter Haare fällt zwischen mich und Tyler.
»Wenn dir das schon gefällt …«, setzt Tyler an, doch ich schiebe schnell die Haare zur Seite und sehe ihn vorwurfsvoll an. Mit einem schuldbewussten Grinsen um die vollen Lippen zuckt er mit den Schultern. »Einen Versuch war es wert, C.«
Wenn Tyler im Flirtmodus ist, nennt er aus irgendeinem Grund alle beim Anfangsbuc