: Sarah Alderson
: Ravensburger Verlag GmbH
: Everything We Feel
: Ravensburger Buchverlag
: 9783473471935
: 1
: CHF 8.80
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: German
: 448
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Dich zu berühren, bedeutet, alles zu riskieren. Zoey ist auf der Flucht vor ihrer Vergangenheit - nie wieder soll Angst ihr Leben bestimmen, das hat sie sich geschworen. In einem kleinen kalifornischen Küstenstädtchen findet sie einen sicheren Zufluchtsort. Nur warum muss ihr Nachbar Tristan so verdammt hilfsbereit sein? Wider Willen knistert es gewaltig zwischen Zoey und dem einfühlsamen Lifeguard. Mit jedem Blick, mit jeder Berührung schenkt Tristan ihr einen Hoffnungsschimmer. In seinen Armen kann sie zum ersten Mal ohne Albträume einschlafen. Doch sosehr Zoey sich es auch wünscht: Bei Tristan zu bleiben, bedeutet, ihn in allergrößte Gefahr zu bringen. * Eine Szene aus EVERYTHING WE FEEL * 'Wenn ich ehrlich bin, hatte ich gehofft, dass er mich nie wieder loslässt. Mein Leben lang hatte ich das Gefühl, jeden Moment zu ertrinken - und da war er plötzlich, zog mich aus dem Wasser, in Sicherheit. Aber es war dumm von mir, mich auf ihn einzulassen. Ich muss lernen, selbst zu schwimmen. Wenn ich ein anderer Typ Mädchen wäre, eins das nicht aus ihren Fehlern lernt, dann würde ich jetzt vielleicht stehenbleiben. Würde mich umdrehen, warten, dass er mich einholt. Und dann würde ich den Kopf in den Nacken legen und mich von ihm küssen lassen. Und wenn die Welt eine andere wäre - eine Welt, wie man sie aus dem Kino kennt, eine Welt, in der es so etwas wie wahre Liebe gibt -, dann würde es für uns beide vielleicht sogar ein Happy End geben.'

Sarah Alderson stammt ursprünglich aus London, hat 2009 aber ihren Job gekündigt und ist mit ihrem Mann und ihrer damals dreijährigen Tochter auf einen Trip rund um die Welt aufgebrochen. Die drei lebten fünf Jahre auf Bali, bevor sie ein Zuhause im südlichen Kalifornien fanden. Neben Romanen für Jugendliche schreibt Sarah Alderson Erwachsenenliteratur sowie Drehbücher für Film und Fernsehen.

ZOEY

In Las Vegas gibt es keine Dunkelheit. Es ist die hellste Stadt der Welt – so hell, dass man sie vom All aus erkennen kann. So hell, dass ich seit drei Jahren die Sterne nicht mehr gesehen habe.

Es gibt auch keine Stille in Las Vegas. Selbst hier draußen, meilenweit entfernt vom Strip und den Touristenmassen, herrscht ständiger Lärm. Ein andauerndes Hintergrundrauschen aus Verkehr, Sirenengeheul und wummernder Musik. Streitereien, durchsetzt von gackerndem Lachen. Das unablässige Fernsehgeschnatter, das durch die geöffneten Fenster auf die Straßen hinausschwebt.

Die Stille vermisse ich. Die Dunkelheit nicht.

Ich erledige den Abwasch und verstaue Coles Schulsachen in seinem Rucksack. Die Heftumschläge sind mit bunten Comiczeichnungen bedeckt. Plötzlich halte ich inne. Nein, das sind keine Comiczeichnungen. Unter seinem Namen –COLEWARD, geschrieben in großen, unregelmäßigen Druckbuchstaben – hat er einen Mann mit einer Pistole gemalt. Meine Hände zittern, während ich die Zeichnung näher betrachte: Kugeln fliegen aus der Mündung, und um den Mann herum liegen in Blutlachen aus rotem Filzstift ein halbes Dutzend Strichmännchen mit heraushängenden Zungen und abgehackten Gliedmaßen.

Warum malt ein Achtjähriger so was? Machen das alle kleinen Jungs, die hin und wieder Videospiele spielen dürfen? Aber auch wenn ich nach Ausreden suche – tief in mir drin weiß ich ganz genau: Was Cole da gemalt hat, ist alles andere als normal.

Ich lasse mich auf einen verschrammten Küchenstuhl sinken und überlege, was ich tun soll. Mit Mom kann ich nicht darüber reden, so viel ist sicher. Das wäre zu viel für sie. Endlich hat sie ihr Leben wieder im Griff, da will ich nicht riskieren, dass sie in eins von ihren dunklen Löchern fällt.

Am besten, ich spreche direkt mit Cole. Vielleicht hängen seine Gewaltfantasien mit Will zusammen, schließlich ist unser älterer Bruder ein Marine, und Cole vergöttert ihn. Aber vielleicht kopiert er auch nur irgendwas, das er im Fernsehen oder Internet gesehen hat. Ich versuche, ein Auge darauf zu haben, wie viel Zeit er vor dem Bildschirm verbringt, aber ich bin nun mal nicht rund um die Uhr zu Hause, und Mom hat es nicht so mit Disziplin. Sie kann nicht mit Konflikten umgehen. Vielleicht sollte ich auch mit seiner Lehrerin sprechen, wobei sie bei meinem letzten Besuch mehr als deutlich gemacht hat, dass es eigentlich Moms Aufgabe wäre, die Verantwortung für Cole zu übernehmen, und nicht die seiner großen Schwester.

Ich stopfe das letzte Heft in Coles Rucksack und nehme mir vor, morgen früh vor der Schule mit ihm zu reden – falls ich trotz meiner Frühschicht überhaupt Zeit finde. Was mich daran erinnert, dass ich aufhören sollte zu trödeln, damit ich nicht zu spät ins Bett komme. Die Wäsche muss noch gemacht werden, und die Pausenbrote für morgen auch.

Ich spähe ins Kinderzimmer und stelle fest, dass Kate immer noch nicht schläft. Sie sitzt in dem Einhorn-Onesie, den ich ihr zu Weihnachten geschenkt habe, im Schneidersitz oben auf dem Stockbett und tippt auf ihrem Handy herum. Ihre Finger fliegen im Fünfhundert-Emojis-pro-Minute-Takt über die Tastatur. Das Handy ist wie ein Teil von Kate, manchmal glaube ich, man würde es nicht mal mit dem Stemmeisen von ihren Händen losbekommen.

»Hey, es ist schon spät«, sage ich, aber sie hat Kopfhörer drin. »Kate!«, füge ich etwas lauter hinzu, und sie blickt auf, wobei ihr Haar aufleuchtet wie ein flammender Sonnenuntergang. »Schlafenszeit.«

Sie verdreht die Augen, als sei ich ein Plagegeist, einzig auf die Erde entsendet, um ihrem Snapchat-Marathon ein unzeitiges Ende zu bereiten. Aber es geschehen noch Zeichen und Wunder, denn sie hört auf zu tippen, nimmt die Ohrstöpsel raus und sieht mich mit hochgezogen