Vorwort: Digitalmacht China
China hat Deutschland und die Weltwirtschaft durchdrungen – komplett und unumkehrbar. Fast jedes Smartphone, das in der Bundesrepublik verkauft wird, wurde in China hergestellt. Acht von zehn Computern stammen aus Fabriken in der Volksrepublik. Und auf weit mehr als der Hälfte der Fernseher prangt der Schriftzug »Made in China«.
Aber die Hersteller in Fernost blieben lange namenlos. Sie waren die billigen Auftragsfertiger. Dafür druckten globale Konzerne wie Apple, Samsung und Dell ihre Logos auf die Geräte. Doch Chinas Unternehmer haben gelernt. Sie haben sich abgeschaut, wie hochwertige Produkte entwickelt werden.
Über Jahre waren sie in Lauerstellung. Jetzt preschen sie vor. Chinas Unternehmen erleben eine Art Dauerrevolution. Zwölf Jahre hat die Volksrepublik gebraucht, um ihr Bruttoinlandsprodukt pro Kopf zu verdoppeln. Die USA brauchten dafür 40 Jahre. Die Briten 60. Stillstand gibt es in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt nicht. Alles ist in Bewegung. Und alles geschieht aus europäischer Sicht wie im Zeitraffer.
Schon jetzt macht China knapp ein Fünftel der globalen Wirtschaftsleistung aus. Schon jetzt ist die Volksrepublik mit jährlichen Ausfuhren im Wert von mehr als 2,3 Billionen Dollar mit Abstand Exportweltmeister. Schon jetzt stammen 13 der 100 wertvollsten Unternehmen der Welt aus der Volksrepublik.
Eine fundamentale Verschiebung des globalen Kräfteverhältnisses ist im Gange. China steigt zum internationalen Innovationstreiber auf. Und der Führungsanspruch der chinesischen Firmen ist schon lange nicht mehr auf die Volksrepublik begrenzt. Das wird alleine schon an Zahlen des Europäischen Patentamtes deutlich. Die chinesische Telekommunikationsfirma Huawei hat im vergangenen Jahr mehr Patente angemeldet als jedes andere Unternehmen in Europa. Damit steht sie noch vor der deutschen Industrieikone Siemens. Huawei meldete 3524 Patente an. Siemens war zwar im Vorjahr noch Patentkönig in Europa gewesen, landete mit 2619 Patenten im Jahr 2019 aber nur noch auf Platz fünf hinter Huawei, Samsung, LG sowie dem amerikanischen Technologie- und Rüstungskonglomerat United Technologies. Seit 2010 haben sich die Patentanträge aus China in Europa versechsfacht.
Die Patentanmeldungen sind ein Vorbote. Sie sind ein Indikator für künftige Marktentscheidungen. Die Zahl der Anmeldungen steht für den Vorstoß, den chinesische Firmen in Europa starten wollen. Insbesondere Chinas Internetkonzerne haben Produkte und Dienstleistungen entwickelt, die besser sind als alles, was es international bislang gibt. Während sich die USA und Europa seit Jahren schwertun mit mobilen Bezahllösungen, haben Millionen von Chinesen ihr Portemonnaie gegen ihr Smartphone getauscht. Gerade in Chinas Großstädten sind immer mehr junge Menschen ohne Geldbörse unterwegs. Bargeld ist schlicht überflüssig geworden. Anbieter wie die Alibaba-Tochter Ant-Financial haben ein digitales Finanzsystem aufgebaut, das das bevölkerungsreichste Land der Welt tief durchdrungen hat.
Ausgerechnet in der Volksrepublik, wo träge Staatsbanken das Finanzsystem dominieren, ist ein Finanz-Paralleluniversum entstanden. Nahezu alles kann mittlerweile mit einem Wischen auf dem Smartphone-Display bezahlt werden: vom Online-Einkauf über den Snack an der Imbissbude bis hin zur Arztrechnung im Krankenhaus.
Das bequeme digitale Bezahlen hat einen ganzen Kosmos von zusätzlichen Dienstleistungen überhaupt erst möglich gemacht. Kein Wunder, dass die moderne Bezahltechnik entscheidend vom Online-Händler Alibaba vorangetrieben wurde. Den weitaus größten Teil seines Geschäftes wickelt der Konzern mittlerweile über Kunden ab, die mobil auf die Plattform der Firma zugreifen und Kleidung, Elektrogeräte oder sogar Obst und Gemüse direkt vom Smartphone aus bezahlen.
Die Begeisterung vieler Chinesen für das digitale Einkaufen geht so weit, dass etliche Händler mittlerweile deutlich seltener neue Geschäfte eröffnen wollen. Sie setzen gleich auf den digitalen Kontakt zu ihren Käufern. Im Laden wird ausprobiert, gekauft wird im Internet. Schließlich vergehen oft nur Stunden von der Bestellung auf dem Smartphone, bis der Bote die Produkte an die Haustür liefert.
Detailliert lässt sich der Weg der Bestellung nachverfolgen. Der Paketbote wird dem Käufer mit Namen und Handynummer präsentiert. Ist der Kunde nicht zu Hause, kann er den Lieferanten direkt auf seinem Handy anrufen und kurzfristig vereinbaren, dass er zum Beispiel das Päckchen ins Büro anstatt in die Wohnung liefert. Packstationen oder das lange Warten in einer Postfiliale gibt es in China nicht.
Alibaba und dessen wichtigster Ko