: Julia Neuberger
: Antisemitismus Wo er herkommt, was er ist - und was nicht
: Berenberg Verlag GmbH
: 9783946334866
: 1
: CHF 10.50
:
: Politik, Gesellschaft, Wirtschaft
: German
: 240
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Wenn sich Antisemitismus heutzutage in einer Gesellschaft mitten in Europa ausbreitet, ist es schlimm genug. Wenn selbst die linke politische Elite eines ­Landes hier voranmarschiert und Ressentiments schürt, wird es brandgefährlich. Julia ­Neuberger, britisch-deutsche ­Rabbinerin, berichtet mit vielen Beispielen aus jüngster Zeit genau davon aus ihrer Heimat. Und weil Antisemitismus so viele häss­liche Gesichter tragen kann, liefert sie historischen Hintergrund und erläutert, was Antisemitismus ist - und was nicht. Denn nur, wenn darüber Klarheit besteht, lässt er sich bekämpfen. 'Wenn ich auch nur einen Menschen dazu bewege, seine Meinung zu ändern, sei es in Deutschland oder in Großbritannien, bin ich schon zufrieden. Sind es mehrere, bin ich begeistert. Und wenn wir dieses Buch in zehn Jahren wegwerfen können, weil es nicht mehr ­gebraucht wird, werde ich völlig aus dem Häuschen sein.' Julia Neuberger

Julia Neuberger, geboren 1950, ist eine britische Rabbinerin und Politikerin, seit 2004 ist sie Mitglied des House of Lords. Sie hat zahlreiche Bücher zum jüdischen Leben, zu ethischen Fragen, Religion und Sterbebegleitung veröffentlicht. Seit 2019 besitzt sie auch die deutsche Staatsbürgerschaft.

Vorwort
zur deutschen Ausgabe


Dass mein Buch nun auch auf Deutsch erscheint, macht mich überglücklich. Im Jahr 2019 wurde ich in Deutschland eingebürgert, mit doppelter Staatsbürgerschaft. Angefangen hatte alles mit meiner Verärgerung über die Brexit-Entscheidung in Großbritannien, schon bald jedoch stellte sich eine völlig andere Regung ein: ein Gefühl der Zugehörigkeit zu Deutschland. Dabei hatten doch Deutsche meiner Mutter nach ihrer Flucht 1937 die Staatsbürgerschaft entzogen und viele Mitglieder meiner Familie auf beiden Seiten ermordet. Aber meine Großeltern wurden alle in Deutschland geboren. Unsere Wurzeln reichen väterlicherseits in Frankfurt und Umgebung und mütterlicherseits in Heilbronn am Neckar und Umgebung Jahrhunderte zurück. Meine Mutter stammt aus einer Familie von Heilbronner Winzern und kleinen Weinhändlern, die keine besonders frommen Juden waren. Väterlicherseits waren die Familienoberhäupter in der eher strenggläubigen und traditionellen Welt des Frankfurter Judentums abwechselnd Bankiers und Rabbis: Eine Generation verdiente gutes Geld, die nächste Generation gab es wieder aus.

Sie alle begegneten natürlich Antisemitismus, besonders nachdem Wilhelm Marr und seine Anhänger in den 1870er Jahren ihre Ansichten verbreiteten. Meine Großeltern väterlicherseits siedelten allerdings nicht wegen antisemitischer Vorfälle nach London über, sondern wegen Streitigkeiten innerhalb der jüdischen Gemeinde von Frankfurt, denn sie stammten aus der sehr orthodoxen Austrittsgemeinde beziehungsweise der größeren Einheitsgemeinde, die völlig zerstritten waren. So kam mein Großvater nach London, um bei seinem Onkel in der Bank der Familie zu arbeiten. Mein Vater und seine Brüder wurden in London geboren und zu englischen Gentlemen erzogen, sprachen aber ein tadelloses Hochdeutsch, an das meine Mutter, die als Heilbronnerin schwäbelte, nicht heranreichte.

Meine Urgroßmutter väterlicherseits floh 1939 nach Amsterdam, wurde jedoch aus Westerbork deportiert und in Sobibor ermorde