Dithyrambische Fantasie über
die schönste Situazion.
Eine große Thräne fällt auf das heilige Blatt, welches ich hier statt deiner fand. Wie treu und wie einfach hast du ihn aufgezeichnet, den kühnen alten Gedanken zu meinem liebsten und geheimsten Vorhaben. In dir ist er groß geworden und in diesem Spiegel scheue ich mich nicht, mich selbst zu bewundern und zu lieben. Nur hier sehe ich mich ganz und harmonisch, oder vielmehr die volle ganze Menschheit in mir und in dir. Denn auch dein Geist steht bestimmt und vollendet vor mir; es sind nicht mehr Züge die erscheinen und zerfließen: sondern wie eine von den Gestalten, die ewig dauern, blickt er mich aus hohen Augen freudig an und öffnet die Arme, den meinigen zu umschließen. Die flüchtigsten und heiligsten von jenen zarten Zügen und Äußerungen der Seele die dem, welcher das höchste nicht kennt, allein schon Seligkeit scheinen, sind[16]nur die gemeinschaftliche Atmosphäre unsers geistigen Athmens und Lebens.
Die Worte sind matt und trübe; auch würde ich in diesem Gedränge von Erscheinungen nur immer das eine unerschöpfliche Gefühl unsrer ursprünglichen Harmonie von neuem wiederholen müssen. Eine große Zukunft winkt mich eilends weiter ins Unermeßliche hinaus, jede Idee öffnet ihren Schooß und entfaltet sich in unzählige neue Geburten. Die äußersten Enden der zügellosen Lust und der stillen Ahndung leben zugleich in mir. Ich erinnere mich an alles, auch an die Schmerzen, und alle meine ehemaligen und künftigen Gedanken regen sich und stehen wider mich auf. In den geschwollnen Adern tobt das wilde Blut, der Mund durstet nach Vereinigung und unter den vielen Gestalten der Freude wählt und wechselt die Fantasie und findet keine, in der die Begierde sich endlich erfüllen und endlich Ruhe finden könnte. Und dann gedenke ich wieder plötzlich und rührend der dunkeln Zeit, da ich immer wartete, ohne zu hoffen, und heftig liebte, ohne daß ich es wußte; da mein innerstes Wesen sich ganz in unbestimmte Sehnsucht ergoß und sie nur selten in halb unterdrückten Seufzern aushauchte.
Ja! ich würde es für ein Mährchen gehalten haben, daß es solche Freude gebe und solche Liebe, wie ich nun fühle, und eine solche Frau, die mir zugleich die zärtlichste Geliebte und die beste Gesellschaft wäre und auch eine vollkommene Freundin. Denn in der Freundschaft besonders suchte ich alles, was ich entbehrte und was ich in keinem weiblichen Wesen zu finden hoffte. In dir habe ich es alles gefunden und mehr als ich zu wünschen vermochte: aber du bist auch nicht wie die andern. Was Gewohnheit oder[17]Eigensinn weiblich nennen, davon weißt du nichts. Außer den kleinen Eigenheiten besteht die Weiblichkeit deiner Seele bloß darin, daß Leben und Lieben für sie gleich viel bedeutet; du fühlst alles ganz und unendlich, du weißt von keinen Absonderungen, dein Wesen ist Eins und untheilbar. Darum bist du so ernst und so freudig; darum nimmst du alles so groß und so nachlässig, und darum liebst du mich auch ganz und überläßt keinen Theil von mir etwa dem Staate, der Nachwelt oder den männlichen Freunden. Es gehört dir alles und wir sind uns überall die nächsten und verstehn uns am besten. Durch alle Stufen der Menschheit gehst du mit mir von der ausgelassensten Sinnlichkeit bis zur geistigsten Geistigkeit und nur in dir sah ich wahren Stolz und wahre weibliche Demuth.
Das äußerste Leiden, wenn es uns nur umgäbe, ohne uns zu trennen, würde mir nichts scheinen als ein reizender Gegensatz für den hohen Leichtsinn unsrer Ehe. Warum sollten wir nicht die herbeste Laune des Zufalls für schönen Witz und ausgelassene Willkühr nehmen, da wir unsterblich sind wie die Liebe? Ich kann nicht mehr sagen, meine Liebe oder deine Liebe; beyde sind sich gleich und vollkommen Eins, so viel Liebe als Gegenliebe. Es ist Ehe, ewige Einheit und Verbindung unsrer Geister, nicht bloß für das was wir diese oder jene Welt nennen, sondern für die eine wahre, untheilbare, namenlose, unendliche Welt, für unser ganzes ewiges Seyn und Leben. Darum würde ich auch, wenn es mir Zeit schiene, eben so froh und eben so leicht eine TasseKirschlorberwasser mit dir ausleeren, wie das letzte Glas Champagner, was wir zusammen tranken, mit den Worten von mir: »So laß uns den Rest unsers Lebens austrinken.« – So sprach und trank ich eilig, ehe der[18]edelste Geist des Weins verschäumte; und so, das sage ich noch einm